Direkt zum Inhalt

Wie sieht die Zukunft der Östlichen Partnerschaft aus?

22.05.2015

Der Gipfel in Riga bleibt Analysen und Antworten schuldig

Seit 2009 versucht die Europäische Union mit dem Programm der Östlichen Partnerschaft die sechs ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine an die Standards der EU heranzuführen. Anderthalb Jahre nach dem letzten Summit von Vilnius, der letztlich zum Ausgangspunkt für den Ukraine-Konflikt wurde, fanden unter lettischer Ratspräsidentschaft vom 19. bis 22. Mai 2015 gleich vier Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft zu den Themen Zivilgesellschaft, Medien, Wirtschaft und Politik statt. Am Business Summit war erneut der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beteiligt.

Auf Einladung der lettischen Organisatoren nahm Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Rainer Lindner am Eröffnungspanel teil und diskutierte mit dem EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik Johannes Hahn, der lettischen Wirtschaftsministerin Dana Reizniece-Ozola, dem Generaldirektor von BUSINESSEUROPE Markus Beyrer und Vertretern aus Belarus und Georgien über die „Politischen und wirtschaftlichen Perspektiven der Östlichen Partnerschaft“. Lindner forderte dabei die EU-Kommission dazu auf, sowohl auf die östlichen Partnerländer, als auch auf Russland mit größerer Offenheit zuzugehen. Wer dem Reformprozess in diesen Ländern einen Impuls geben wolle, müsse in die Ausbildung der jüngeren Generation investieren und dieser den visafreien Zugang in die EU ermöglichen. Langfristig benötigten Länder wie die Ukraine, Moldau und Georgien zudem ähnlich wie die Staaten des westlichen Balkans eine EU-Beitrittsperspektive.

Lindner betonte, dass sich ohne eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts und einer Verständigung mit Russland internationale Unternehmen mit größeren Investitionen in der Region zurückhielten. Zudem schlug er die Bildung eines Unternehmerrates für die Östliche Partnerschaft vor, bestehend aus je zehn Unternehmensvertretern pro Land, der die EU-Kommission in wirtschaftlichen Fragen beraten solle. „Wir treffen uns in einer Zeit zunehmender Risiken. Die Unternehmen benötigen politische Stabilität und eine klare Perspektive“, betonte Lindner.

In der Tat hätte es 18 Monate nach dem Gipfeltreffen in Vilnius Anlass dazu gegeben, die bisherige Bilanz der Östlichen Partnerschaft kritisch zu hinterfragen. Zwar haben inzwischen mit der Republik Moldau, Georgien und der Ukraine drei der sechs teilnehmenden Länder Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, die Umsetzung dieser Reformprozesse steht jedoch angesichts labiler Regierungen, durch einen Wirtschaftsabschwung in der gesamten Region und nicht zuletzt durch den zunehmenden Druck aus Russland unter großen Fragezeichen. Noch sind die ökonomischen Vorteile der Assoziierungs- und Freihandelsabkommen trotz vorgezogener Öffnung des EU-Marktes nicht wirklich erkennbar, die Härten durch den Reformprozess für die Bevölkerung dagegen schon. Und zu allem Überfluss bricht aus verschiedenen Gründen der wichtige Handel mit Russland deutlich ein. Mit Belarus und Armenien haben sich zudem zwei der sechs Länder dem russischen Projekt der Eurasischen Wirtschaftsunion angeschlossen, die zum 1. Januar 2015 gegründet wurde. Und Aserbaidschan scheint zumindest an einer politischen Integration mit der EU derzeit wenig Interesse zu haben.

Während einzelne Unternehmer in ihren Wortmeldungen die schwierige Lage der Östlichen Partnerschaft immer wieder thematisierten, schienen sich die Mehrzahl der auf dem Business-Summit dominierenden Vertreter von Verbänden und EU-Kommission darauf verständigt zu haben, die kritischen (politischen) Punkte auszublenden und den großen Nachbarn Russland nicht zu erwähnen. Erneut war es ein Wirtschaftsgipfel, auf dem Vertreter Russlands und der Eurasischen Wirtschaftsunion entweder gar nicht erst eingeladen, oder nicht erschienen waren. Und dies in einem Land, mit einem 30-prozentigen Anteil an russischer Bevölkerung und in einer Stadt, die von einem russischstämmigen Bürgermeister regiert wird. So blieb es bei der Beschwörung des großen Potenzials der Östlichen Partnerschaft, bei dem vagen Ruf nach „passgenauen Lösungen“ für die sechs Länder und bei Appellen, die bestehenden Abkommen vollständig umzusetzen und noch konsequenter für Rechtssicherheit und Korruptionsbekämpfung einzutreten.

Auch der einen Tag später stattfindende politische Gipfel brachte kaum Ergebnisse. Die insbesondere von der Ukraine und Georgien erhofften Signale für eine EU-Beitrittsperspektive und eine rasche Abschaffung der Visa-Pflicht blieben aus. Sieht man von einem neuen Investitionsfonds der Europäischen Investitionsbank für kleine und mittlere Unternehmen ab, reisten die Vertreter der Partnerländer mit leeren Händen aus Riga ab. In Richtung Russland kündigte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström immerhin an, die jüngst begonnenen hochrangigen Konsultationen über russische Vorbehalte gegen das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine fortsetzen zu wollen. Unabhängig davon würde das Abkommen aber in jedem Fall zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.

Bis Herbst will sich die EU noch Zeit geben, ihre Nachbarschaftspolitik strategisch neu aufzustellen. Bleibt zu hoffen, dass die in Riga verpasste offene Diskussion darüber bis dahin noch in Gang kommt.

Andreas Metz
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Diese Seite teilen: