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Wirtschaftserholung in Osteuropa nimmt Fahrt auf

03.02.2010

Ost-Ausschuss: Krisenjahr 2009 beschleunigt Reformprozesse / Deutsche Wirtschaft hat ihre Wettbewerbsposition verbessert

Das wirtschaftliche Krisenjahr 2009 hat einen wichtigen Reifeprozess in den jungen Marktwirtschaften Osteuropas ausgelöst. Dieser Ansicht ist der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der die Interessen der deutschen Unternehmen im östlichen Europa vertritt. „Die Übertreibungen, die es am Ende der langen Boomphase in Osteuropa gegeben hat, werden nun schrittweise korrigiert. Das Wachstum kehrt 2010 zurück. Es fällt moderater, aber dafür nachhaltiger aus“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Klaus Mangold in Berlin.

Der Ost-Ausschuss prognostiziert das Wachstum in 2010 in den einzelnen Regionen wie folgt:

- Mittel-/Ost-Europa (ohne Zentralasien):  + 2 %
- Russland: + 3,5 %
- Zentralasien: + 4,5 %
 
Mangold unterstreicht dies mit drei wichtigen Entwicklungstrends:
- Europa hat durch die Krise wirtschaftlich und politisch enger zusammengefunden
- Verschleppte Wirtschaftsreformen sind auf die Agenda zurückgekehrt.
- Deutsche Unternehmen halten an ihrer starken Präsenz in Mittel- und Osteuropa fest und bauen sie weiter aus.

Trotz Krise seien die deutschen Direktinvestitionen in Russland 2009 gestiegen. Für 2010 planen deutsche Unternehmen nach einer Umfrage des Ost-Ausschusses dort weitere Investitionen in Milliardenhöhe. „In Osteuropa weiß man, dass deutsche Firmen keine Spekulationsnomaden sind, die in der Krise gleich weiterziehen, sondern auf ein langfristiges Investment setzen. Im nun einsetzenden Erholungsprozess werden deutsche Firmen daher zu den ersten Gewinnern gehören“, sagte Mangold.

Finanzmärkte

Die osteuropäischen Finanzmärkte haben sich nach Ansicht des Ost-Ausschusses im vergangenen Jahr als überraschend krisenresistent erwiesen. „Die Krisenängste von Anfang 2009 haben sich nicht bewahrheitet“, sagte Ost-Ausschuss-Vorstandsmitglied Tessen von Heydebreck, der auch Vorsitzender der Deutsche Bank Stiftung ist. „Es hat sich gezeigt, dass das große Engagement westeuropäischer Banken in Osteuropa ein stabilisierender Faktor ist. Ausländische Banken haben ihre Töchter unterstützt und mit neuem Eigenkapital ausgestattet und die Volkswirtschaften so stabilisiert“, berichtete von Heydebreck. Allerdings führen der notwendige Konsolidierungsprozess und die Neubewertung von Geschäftsrisiken in einigen Ländern zu einem starken Rückgang des Kreditwachstums.
 
Energiebeziehungen

Die Versorgung Europas mit Energie wird nach Ansicht des Ost-Ausschusses auch in Zukunft eng mit Russland verbunden sein. Der Marktanteil Russlands an den Energielieferungen nach Europa wird eher steigen als zurückgehen. Dies gilt trotz des wachsenden Angebots in Folge von Flüssiggas-Importen. „Wir dürfen nicht leichtfertig die Langfristverträge gefährden“, sagte der stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende Burckhard Bergmann in Berlin. Trotz aktuell günstiger Spotpreise für Erdgas hätten die langfristigen Verträge deutscher Versorger mit Gazprom und die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis eine wichtige Schutzfunktion.
Bergmann weist auf die jüngsten EU-Projektionen hin, die zeigten, dass im Jahre 2020 noch etwa 60 Prozent des Energiebedarfs durch Importe gedeckt werden müssen. Russland werde der wichtigste Erdgaslieferant bleiben. „Die Probleme der vergangenen Jahre lagen nicht an einer mangelnden Lieferbereitschaft Russlands, sondern an Transit-Schwierigkeiten mit der Ukraine, die Russland mehr geschadet haben als den Importländern“, sagte der frühere Vorstandsvorsitzende der E.ON Ruhrgas AG. „Die Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine müssen deshalb langfristig tragfähig gestaltet werden.“ Die Diversifikation der Lieferquellen leistee einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Bergmann sieht einen dauerhaften Anteil russischen Gases von 25 bis 30 Prozent am EU-Gesamtbedarf im Einklang mit dem Diversifikationsziel. Auf dem Weg zu einer stärkeren Diversifizierung der Lieferwege, seien die Genehmigungen für die Ostsee-Pipeline Nord Stream ein wichtiger Durchbruch gewesen. „Nord Stream ist auf dem besten Weg, im vierten Quartal 2011 planmäßig in Betrieb zu gehen.“
Auch die Pipeline Nabucco könne einen wesentlichen Betrag zur weiteren Diversifikation der Erdgasversorgung Europas leisten. Offen ist aber laut Bergmann noch immer, ob ausreichende Erdgasmengen aus Zentralasien und eventuell dem Irak zu Konditionen verfügbar sind, die das Nabucco-Projekt wirtschaftlich realisierbar machen.

Entwicklung in den einzelnen Ost-Ausschuss-Regionen

Russland kann nach Ansicht des Ost-Ausschusses im weiteren Verlauf des Jahres wieder seine Rolle als Konjunkturlokomotive für die Gesamtregion übernehmen. Derzeit sagten die einzelnen Prognosen für Russland ein Wirtschaftswachstum zwischen 3,5 und fünf Prozent voraus. Zusätzliche Impulse erhofft sich der Ost-Ausschuss durch einen baldigen WTO-Beitritt Russlands. „Wir erhoffen hier für 2010 einen Durchbruch“, sagte Mangold. Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende begrüßte auch die jüngste Annäherung von Russland und der EU: „Die EU und Russland wollen ihre strategische Partnerschaft ausbauen. Wichtig sind jetzt mutige Schritte sowohl der neuen EU-Kommission als auch Russlands zur Verhandlung eines neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens.“ Dieses sei umso notwendiger, je länger sich die Verhandlungen zu einem WTO-Beitritt Russlands hinzögen.

Der Ost-Ausschuss sieht in der russischen Wirtschaftspolitik insbesondere Handlungsbedarf in den folgenden Feldern:

- mutige und entschlossene Modernisierung der russischen Industrie mit dem Ziel, die Rohstoffabhängigkeit zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen
- Privatisierung der russischen Wirtschaft
- Mutige und durchsetzungsstarke Reformen zum Aufbau eines russischen Mittelstands

„Die deutsche Wirtschaft steht hier als Modernisierungspartner bereit“, sagte Mangold. Besonders interessant aus deutscher Sicht sei das geplante russische Privatisierungsprogramm für bis zu 5000 Unternehmen. Hierauf werde der Ost-Ausschuss 2010 einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit legen.

Für die Ukraine erwartet der Ost-Ausschuss nach Abschluss der Präsidentenwahlen einen Neustart des Reformprozesses. „In den vergangenen Jahren wurden die Reformen aufgrund politischer Auseinandersetzungen immer wieder vertagt. Dafür muss jetzt umso schneller und entschlossener gehandelt werden“, sagte Mangold. Er äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dass die Stichwahl am 7. Februar 2010 fair verlaufe und sich die verantwortlichen Politiker danach lagerübergreifend auf eine Reformagenda verständigten. Es habe auf Dauer keinen Sinn, der Bevölkerung schmerzhafte aber notwendige Reformen wie etwa die Liberalisierung der Energiepreise zu ersparen. 

Ähnliches gelte für Belarus, das ein Privatisierungsprogramm für seine Wirtschaft angekündigt aber aufgrund der Wirtschaftskrise verzögert habe. „Diesen Prozess der Öffnung versuchen wir in intensiven Gesprächen mit der belarussischen Regierung zu verstetigen.“ Belarus habe insbesondere im industriellen Bereich, in der Land- und Forstwirtschaft und bezüglich Erneuerbarer Energien ein interessantes Potenzial und verfüge über eine gut ausgebildete Bevölkerung. „Belarus ist ein Teil von Europa. Wir unterstützen nachdrücklich den Annäherungsprozess des Landes und der EU“, sagte Mangold.

In Südosteuropa will der Ost-Ausschuss auch 2010 die Länder des Westbalkans auf ihrem Weg in die EU aktiv begleiten. „Kroatien hat 2009 die vielleicht höchste Hürde in den EU-Beitrittsverhandlungen übersprungen. Nach Mazedonien, Montenegro und Albanien reichte 2009 auch Serbien sein EU-Beitrittsgesuch ein. Die Entwicklung auf dem Balkan beschleunigt sich, was auch der Wirtschaft Auftrieb geben wird“, erklärte Mangold. Der Ost-Ausschuss habe in den vergangenen zwölf Monaten mit Wirtschaftsdelegationen die Präsidenten Serbiens, Kroatiens, Albaniens und Mazedoniens getroffen und plane für 2010 weitere Veranstaltungen mit diesen Ländern.

In Zentralasien werden Turkmenistan und Usbekistan 2010 nach Ansicht des Ost-Ausschusses aufgrund ihres Rohstoffreichtums in der Region das höchste Wachstum erzielen. Hier öffneten sich für deutsche Investoren interessante Märkte. Allerdings werde in der Region die Konkurrenz insbesondere durch China, aber auch Südkorea und Russland immer größer. Für Kasachstan ergäben sich durch die Übernahme des OSZE-Vorsitzes 2010 zusätzliche Chancen. Das Land müsse aber insbesondere sein Bankensystem nach dem Straucheln dreier Großbanken dringend reformieren und ein akzeptables Umschuldungsmanagement betreiben.

Insgesamt führte der Ost-Ausschuss 2009 über 120 Veranstaltungen durch. Die Zahl der Mitgliedsunternehmen stieg trotz Krise von 100 auf 130. „Wir sind gegen den Trend kräftig gewachsen. Das zeigt, dass gerade in Krisenzeiten Firmen den Wert einer schlagkräftigen Interessenvertretung zu schätzen wissen“, sagte Mangold.

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Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft führt jährlich eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen, Unternehmerreisen und Konferenzen in und über 22 Länder Mittel- und Osteuropas durch. Die Organisation mit Sitz in Berlin versteht sich als Kompetenzcenter der deutschen Wirtschaft für die osteuropäischen und zentralasiatischen Zukunftsmärkte. Dem Ost-Ausschuss gehören 130 vor allem mittelständische Unternehmen sowie große Wirtschaftsverbände an.

Ansprechpartner

Kontakt:
 

Andreas Metz
Tel: 030 2028-1441
A.Metz@bdi.eu

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