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Alle Wege führen nach Baku

13.02.2018
Aserbaidschan empfiehlt sich Ost-Ausschuss-Delegation als Drehscheibe der modernen Seidenstraße

Baku brennt. Sobald es dunkel ist, verwandeln sich die drei riesigen Flame-Towers, die die Innenstadt der aserbaidschanischen Hauptstadt überragen, mit Hilfe programmierbarer Leuchtdioden in lodernde Fackeln – stolze Wahrzeichen für das „Land des Feuers“, das Aserbaidschan wegen seines Öl und Gasreichtums auch genannt wird. Im 19. Jahrhundert wurden hier über 50 Prozent des weltweiten Ölbedarfs gefördert, auch heute sind Energieexporte noch das Rückgrat der aserbaidschanischen Wirtschaft. Doch das Rohstofffeuer wird nicht ewig brennen, deshalb bemüht sich die Regierung um neue Wachstumsstrategien. Das eröffnet Chancen auch für deutsche Unternehmen, wie eine 20-köpfige Ost-Ausschuss-Delegation in Gesprächen mit Präsident Ilham Aliyev und drei Ministern feststellen konnte.
Auch wenn es der pulsierenden Drei-Millionen-Stadt Baku kaum anzumerken ist: Aserbaidschan hat schwierige Zeiten hinter sich. Der massive Einbruch der Öl- und Gaspreise trieb des Bruttoinlandsprodukt 2016 um über drei Prozent nach unten, die Währung Manat wertete um die Hälfte ab. In Zeiten sprudelnder Ölgewinne war Baku in eine moderne Hauptstadt mit spektakulärer neuer Architektur und gepflegtem, mittelalterlichen Kern verwandelt worden, die neben dem Eurovision-Song-Contest 2012 drei Jahre später auch die ersten Europaspiele des Europäischen Olympischen Komitees beherbergte. Doch danach mussten Projekte ausgesetzt werden, manche Hochhäuser blieben im Rohbau stehen, die Metro-Erweiterung in Baku wurde auf Eis gelegt.

Diese Bremsspuren sind auch im deutsch-aserbaidschanischen Handel zu sehen: Nach einem deutlichen Rückgang 2016 wird auch für das aktuelle Jahr 2017 ein Minus von rund 30 Prozent auf rund 1,4 Milliarden Euro erwartet. Dennoch könnte 2017 eine Wende zum Besseren markieren: Die Wirtschaft drehte am Ende mit 0,1 Prozent Wachstum wieder leicht ins Plus, der Ölpreis stabilisierte sich, weshalb die Experten für 2018 nun ein bis zwei Prozent Wachstum vorhersagen.

Im Präsidentenpalast

Der Schock des Ölpreis-Absturzes könnte sich für Aserbaidschan am Ende als heilsam erweisen: Die Regierung treibt zwar einerseits die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder im Kaspischen Meer weiter voran, intensiviert aber gleichzeitig die Suche nach alternativen Wachstumsmodellen, wie Staatspräsident Ilham Aliyev gegenüber der vom Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Büchele angeführten deutschen Wirtschaftsdelegation betonte: „Öl und Gas helfen uns, Fonds zu generieren, um die Wirtschaft stärker zu diversifizieren.“ Zuletzt ausgesetzte Bauprogramme sollen nun in Kürze wieder aufgenommen werden, kündigte der Präsident an.

In dem einstündigen Gespräch im Zagulba-Präsidentenpalast standen vor allem Projekte zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der dazu notwendigen Bauindustrie im Mittelpunkt. Eines der Vorhaben, das die hochrangige deutsche Delegation dem Präsidenten vorstellte, würde ein Budget von fast 100 Millionen Euro umfassen. Außerdem ging es um deutsche Unterstützung zur Verbesserung des aserbaidschanischen Ausbildungssystems. Der auch in Aserbaidschan bestehende Mangel an Fachkräften zählt zu den größten Investitionshindernissen vor Ort. „Wir sind nicht bloß mit Ideen, sondern mit konkreten Projekten gekommen“, betonte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Büchele. Deren Umsetzung solle bei der nächsten Delegationsreise überprüft werden.

Neben dem Termin im Palast des Staatspräsidenten standen Gesprächsrunden mit den drei aserbaidschanischen Ministern für Wirtschaft, für Energie und für Transport, Infrastruktur und Hochtechnologien sowie Treffen mit Vertretern der aserbaidschanischen Frachtfluggesellschaft Silk Way und des Internationalen Hafens von Baku im dicht gedrängten Delegationsprogramm. Wirtschaftsminister Shahin Mustafayev wandte sich dabei mit konkreten Vorschlägen an die deutsche Delegation und bat um Unterstützung der Kandidatur Bakus für die Expo 2025, was der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Büchele gerne zusicherte. Zudem schlug Mustavayev ein gemeinsames Projekt zum Bau eines deutschen Krankenhauses in Aserbaidschan vor. Deutsche Ärzte und Medizintechnik hätten in Aserbaidschan einen hervorragenden Ruf. Auch für den Ausbau der Abfallsortierung und Entsorgung wurde die Delegation um Beteiligung gebeten. Infrastrukturminister Ramin Guluzade wiederum lud die deutschen Unternehmen ein, sich an Vorhaben zur Modernisierung des aserbaidschanischen Busverkehrs und zur neuen Verkabelung der Hauptstadt Baku zu beteiligen. Außerdem bat er um Unterstützung für den Aufbau eines Startup-Zentrums und regte eine gemeinsame Konferenz zum Thema Digitalisierung an. Im Energie-Ministerium, das vom früheren aserbaidschanischen Botschafter in Berlin Parviz Shabazov geleitet wird, standen Fortschritte beim Projekt Südlicher Gaskorridor und Finanzierungsfragen im Mittelpunkt. Über das 45-Milliarden-Dollar-Vorhaben soll ab 2020 Erdgas aus Aserbaidschan direkt in die EU gelangen. Auch deutsche Unternehmen sind beteiligt.

Handelsdrehscheibe an der Seidenstraße

Neben dem Energiesektor, der Landwirtschaft und dem Tourismus, dem im durch neun Klimazonen verwöhnten Südkaukasusland hohes Potenzial bescheinigt wird, will sich Aserbaidschans Hauptstadt Baku als internationale Handelsdrehscheibe profilieren. Bereits heute verbindet das am Kaspischen Meer gelegene Baku auf ungewöhnlich harmonische Weise europäische Einflüsse mit einem liberalen Islam: Prunkvolle Mietshäuser wie in Paris stehen neben sandfarbenen Moscheen und werden von futuristischen Glaspalästen a la Dubai überragt. Wo einst Karawanen auf Marco-Polos-Seidenstraße Rast machten, werden nun die Anlandungsmöglichkeiten für Frachtschiffe, Züge und Flugzeuge bestmöglich ausgebaut. Ein zusätzlicher Impuls dafür kommt aus Richtung China über die „Belt and Road-Initiative“ des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, die auch in Aserbaidschan für leuchtende Augen und große Hoffnungen sorgt.

Der moderne Heydar Aliyev Airport ist die Basis der aserbaidschanische Luftfrachtgesellschaft Silk Way, die über dieses Drehkreuz unter anderem mit modernsten Boeing 747-8-Maschinen Waren zwischen Asien und Amerika befördert. Silk Way, die vom deutschen CEO Wolfgang Meier geleitet wird, gehört zu den weltweit am schnellsten expandierenden Cargo-Gesellschaften und ist bereits heute wichtigster Kunde des Hunsrückflughafens Hahn, wie Meier der deutschen Delegation bei der Besichtigung des Unternehmens mitteilte.

Aber auch im Eisenbahn- und Frachtschiffsverkehr stehen in Aserbaidschan die Zeichen auf Expansion: 2017 wurde eine Bahnverbindung aus Richtung Russland bis an die aserbaidschanisch-iranische Grenze bei Astara weitergebaut. Noch fehlt hier ein 160-Kilometer langes Teilstück auf iranischer Seite für den Lückenschluss, um einmal Waren direkt von Indien durch Aserbaidschan in Richtung Russland befördern zu können. Das letzte Teilstück soll bis 2020 realisiert werden, Aserbaidschan beteiligt sich an der Finanzierung. Bereits fertiggestellt ist eine Schienenverbindung von Baku über das georgische Tbilisi ins türkische Kars.

Herzstück des neuen Handelsdrehkreuzes Baku ist der neue Freihafen in Alat, 60 Kilometer südlich der Hauptstadt am Kaspischen Meer. Der Hafen wird im Sommer 2018 zunächst mit einer Kapazität von jährlich 100.000 Containern seine Arbeit aufnehmen. Eines Tages sollen hier bis zu eine Million Container Fracht, aus Richtung China über Kasachstan und Turkmenistan kommend, umgeschlagen werden. „Es geht aber nicht nur um Warenumschlag, sondern auch um Warenveredelung“, betonte der Generaldirektor des Hafens Taleh Ziyadov im Gespräch mit der deutschen Delegation. Das Gesamtkonzept erinnert deshalb an die historische Hamburger Speicherstadt und sieht neben den Terminals auch große Lager- und Produktionsflächen in einer Freihandelszone direkt am Hafen vor.

Der gesamte Delegationsbesuch wurde in enger Abstimmung mit der Botschaft Aserbaidschans in Berlin, dem Leiter der deutsch-aserbaidschanischen Auslandshandelskammer Tobias Baumann und der deutschen Botschaft in Aserbaidschan organisiert. Der deutsche Botschafter Michael Kindsgrab begleitete die Delegation zu allen politischen Terminen und ließ es sich zum Abschluss nicht nehmen, alle Teilnehmer zu einem Empfang in seine Residenz einzuladen. Die Tatsache, dass die Besucher aus Deutschland von nahezu der gesamten Regierungsspitze des Landes empfangen worden seien, zeige die hohe Wertschätzung Deutschlands in Aserbaidschan und die große Offenheit gegenüber deutschen Investoren. Kindsgrab erinnerte daran, dass man gegenwärtig das 200-jährige Jubiläum der Ankunft deutscher Siedler im Südkaukasus feiere. Auch deshalb käme der Besuch zur rechten Zeit. Als Erinnerung überreichte der Botschafter allen Delegationsteilnehmern einen Bildband über die reichen deutschen architektonischen Spuren in Aserbaidschan.

Andreas Metz
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

 

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