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„Der Konflikt wird härter"

05.12.2014

Die Sanktionen gegen Russland könnten kontraproduktiv sein, fürchtet der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes im Interview mit der Passauer Neuen Presse vom 5. Dezember 2014.

In der Ukraine-Krise ist weiterhin keine Entspannung erkennbar. Wie sehr leidet die deutsche Wirtschaft unter dieser Entwicklung und den Folgen der Sanktionen?

Cordes: Der deutsche Export nach Russland ist im Zeitraum Januar bis September 2014 um 17 Prozent zurückgegangen. Besonders betroffen sind der Maschinenbau und die Autoindustrie. Wir rechnen damit, dass das Exportvolumen in 2014 um sieben bis acht Milliarden Euro zurückgeht. Wir sind daher unverändert skeptisch gegenüber der Sanktionspolitik. Es handelt sich um eine politische Krise, und eine politische Krise muss politisch gelöst werden. Natürlich gilt der Primat der Politik. Dennoch: Mit Wirtschaftssanktionen lässt sich diese Krise nicht lösen. Wir brauchen Kompromissbereitschaft. Die deutschen Exporte in die Ukraine sind übrigens um ein Drittel zurückgegangen. Wichtig ist daher auch eine wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine in gemeinsamer Anstrengung von EU und Russland. Die kürzlich gefundene Einigung im Gasstreit hat gezeigt, dass die EU, Russland und die Ukraine in der Lage sind, am Verhandlungstisch für alle Seiten akzeptable Lösungen zu erreichen.

Sind die Wirtschaftssanktionen am Ende kontraproduktiv?

Cordes: Ich fürchte, dass die Wirtschaftssanktionen kontraproduktiv sind. Der Konflikt wird eher verhärtet. Auf beiden Seiten sind Fehler gemacht worden. Man hätte Russland z.B. schon früher einbinden müssen, als es um das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Ukraine und eine Annäherung an die EU ging. Ich wünsche mir, dass sich die Bundesregierung weiter für eine diplomatische Lösung einsetzt. Sie hat eine Schlüsselrolle in diesem Konflikt und genießt immer noch das Vertrauen der Führung im Kreml.

Der Westen kann am Ende auch kein Interesse daran haben, dass die russische Wirtschaft in die Knie geht, oder?

Der Westen kann weder an einer Destabilisierung der russischen Wirtschaft noch an der Destabilisierung der russischen Politik ein Interesse haben. Wir müssen mit unseren russischen Partnern reden. Je ernster die Krise ist, umso mehr muss man das Gespräch suchen. Nur so lassen sich politische Krisen bewältigen. Wir müssen nun eine Lösung finden. Ohne Russland wird es auf der Welt keine Stabilität und keinen nachhaltigen Frieden geben. Ohne eine Lösung drohen eine Abwendung Russlands vom Westen und der Verlust des russischen Marktes an China. Es ist zu begrüßen, dass Präsident Putin in seiner Rede zur Lage der Nation in dieser Woche Maßnahmen zur Stärkung der russischen Wirtschaft angekündigt hat, darunter Schritte zur Entbürokratisierung und zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen.

Mangelt es dem Westen an der Sensibilität gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin?

Cordes: Präsident Putin nur zu verurteilen, ist nicht zielführend. Wichtig ist, sich in die Schuhe des anderen zu versetzen. Da teile ich die Meinung von Henry Kissinger, Hans-Dietrich Genscher und anderen. Wer behauptet, Russland sei nur eine Regionalmacht, der irrt. Man muss mit Putin auf Augenhöhe sprechen. Wenn jetzt das Wort "Russlandversteher" fast wie ein Schimpfwort gebraucht wird, halte ich das für falsch.

Der ukrainische Präsident Poroschenko will eine Volksabstimmung über eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes abhalten. Würde eine Annäherung Kiews an die Allianz die Krise nicht noch deutlich verschärfen?

Cordes:Solange das Thema NATO-Mitgliedschaft der Ukraine im Raum steht, lässt sich die Krise nicht lösen. Es ist natürlich das gute Recht der Ukraine, den Wunsch zu äußern, aber letztendlich entscheidet das Bündnis, wen es als Mitglied aufnimmt. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Außenminister Steinmeier haben einem NATO-Beitritt der Ukraine eine klare Absage erteilt.

Der Petersburger Dialog zwischen Deutschland und Russland ist erst einmal auf Eis gelegt worden und soll reformiert werden. Wie bewerten Sie diese Entscheidung der Bundesregierung?

Das ist sehr bedauerlich und geht in die falsche Richtung. Der Petersburger Dialog deckt ein breites Spektrum an zivilgesellschaftlichen Themen ab. Ich bin da ganz bei Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Wir müssen aufpassen, dass der Petersburger Dialog nicht zu einem Berliner Monolog wird.

Das Interview führte Andreas Herholz.

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