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Deutscher Handel mit Russland boomt

06.02.2012

Geschäftsklima-Umfrage von Ost-Ausschuss und AHK zeigt aber Defizite im russischen Modernisierungsprozess auf

Osteuropa ist eine tragende Säule der boomenden deutschen Exportwirtschaft: Im abgelaufenen Jahr legte der deutsche Export in die Region um rund 20 Prozent zu, teilten der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin mit. Auch 2012 sei trotz schwächerer Weltkonjunktur ein zweistelliger Zuwachs möglich. Besonders positiv entwickelte sich 2011 der deutsche Handel mit Russland: Die deutschen Exporte stiegen um rund 30 Prozent, die Importe nahmen um 26 Prozent zu. Insgesamt markierte das bilaterale Handelsvolumen mit deutlich über 70 Milliarden Euro einen neuen Rekord.

 

Ost-Ausschuss und AHK stellten in Berlin eine aktuelle Geschäftsklima-Umfrage unter deutschen Unternehmen in Russland vor. Demnach gehen 71 Prozent der befragten deutschen Unternehmen 2012 von einer positiven Entwicklung der russischen Wirtschaft aus. „Allein durch den WTO-Beitritt Russlands rechnen wir mit zusätzlichen Impulsen für die deutsche Wirtschaft in Höhe von jährlich zwei Milliarden Euro“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes in Berlin.

Michael Harms, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, betonte, dass die deutschen Unternehmen außerordentlich erfolgreich am russischen Markt agierten: „Der beste Beweis ist die Rekordhandelsbilanz 2011. Die Steigerung macht auch deutlich, wie stark die russische Wirtschaft in die Modernisierung investiert, denn vor allem private russische Unternehmen kaufen deutsche Maschinen und Anlagen."

„Trotz teilweise verbesserungswürdiger Rahmenbedingungen gibt es hohe Erwartungen an das Marktpotential", sagte Harms. „Dafür spricht die 2011 wieder deutlich gestiegene Zahl deutscher Unternehmen in Russland, die jetzt bei über 6.300 liegt.“ Wie groß das Vertrauen der deutschen Unternehmen in die zukünftige Entwicklung Russlands sei, zeigten auch die hohen Investitionen in Produktionsstätten, die sich erst langfristig amortisieren: 49 Prozent der durch Ost-Ausschuss und AHK befragten Unternehmen planen in den nächsten zwölf Monaten Investitionen in Russland. 64 Prozent wollen ihr Personal in Russland aufstocken und über 880 Millionen Euro investieren.

Modernisierungsprozess

Unzufrieden sind die Unternehmen allerdings mit dem Verlauf der Modernisierung in Russland: Nur 41 Prozent haben hier im vergangenen Jahr Fortschritte beobachtet. Den größten Reformbedarf sehen die Firmen bei den Themen Bürokratieabbau, gefolgt vom Thema Korruption. Dann folgen Zoll- und Visa-Fragen.

35 Prozent der Unternehmen sind der Ansicht, dass die russische Bürokratie die Modernisierungsbemühungen bremse. 28 Prozent sagen, dass ein schlüssiges Modernisierungskonzept fehle und weitere 24 Prozent bemängeln das Fehlen eines politischen Wettbewerbs im Land.

Gefragt nach einer möglichen dritten Amtszeit von Wladimir Putin als Präsident, antworteten 30 Prozent der Unternehmen, dass dies positiv für die Entwicklung der Wirtschaft sei, 25 Prozent befürchten negative Auswirkungen, während 45 Prozent dadurch keine wesentlichen Änderungen des Geschäftsklimas erwarten.

„Die Protestbewegung, die es seit den Dumawahlen gibt, trägt dazu bei, dass es in Russland nun einen echten Wettstreit der Ideen gibt“, sagte Cordes. Dies könne den Modernisierungsprozess beschleunigen. „Wichtig ist, dass die Demonstrationen friedlich bleiben und die Präsidentschaftswahl im März frei und fair verläuft.“

Vorgestellt wurde in Berlin auch die Compliance-Initiative, die die AHK zusammen mit russischen und internationalen Partnern vor zwei Jahren gestartet hatte. „Mittlerweile haben sich dieser Initiative gegen Korruption im russischen Geschäftsalltag mehr als 100 Unternehmen angeschlossen und damit ein deutliches Zeichen für fairen und sauberen Wettbewerb gesetzt“, sagte Harms.

Transparentere Vorgaben wünschen sich die Unternehmen beim Thema Lokalisierung und bei staatlichen Ausschreibungen in Russland. Hier werden weiterhin hohe Markteintrittshürden und eine Benachteiligung ausländischer Unternehmen beobachtet.

Südosteuropa / Zentralasien / Ukraine

Mit konjunkturellen Sorgen blickt der Ost-Ausschuss auf die Entwicklung in Südosteuropa: Westliche Banken, die in der Region stark vertreten sind, seien durch die Europäische Bankenaufsicht gezwungen, ihre Risiken zu verringern. „Kapital wird abgezogen, was in Ländern wie Rumänien oder Kroatien zu einer Kreditklemme führen kann und die konjunkturellen Risiken verschärft“, sagte Cordes. „Auf jeden Fall muss ein Massenrückzug westlicher Banken aus Südosteuropa verhindert oder kompensiert werden.“

Als wichtiges Signal bezeichnete Cordes die für Mittwoch geplante Unterzeichnung eines Partnerschaftsabkommens zwischen Deutschland und Kasachstan zur Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich, an dessen Vorbereitung der Ost-Ausschuss beteiligt war.  „Wir brauchen solche Abkommen um die deutsche Wirtschaft vor Rohstoff-Engpässen zu schützen.“ Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew wird am Dienstag und Mittwoch Berlin besuchen und unter anderem vor Ost-Ausschuss-Mitgliedern sprechen. Kasachstan ist ein wichtiges Förderland von Seltenen Erden und Metallen und ist bereits heute der drittwichtigste Öllieferant Deutschlands. Der bilaterale Handel nahm 2011 um 20 Prozent zu.

Dies gilt auch für den deutschen Handel mit der Ukraine. Erst am vergangenen Freitag trafen Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch zusammen. Dabei ging es auch um das Freihandels- und Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, das fertig ausgehandelt ist aber aus politischen Gründen bislang nicht unterzeichnet wurde. „Jeder Tag, den das Abkommen in der Schublade liegen bleibt, kostet die Wirtschaft Geld – die ukrainische ebenso wie die europäische“, sagte Cordes. „Wir erwarten daher, dass beide Seiten alles dafür tun, die bestehenden politischen Probleme zu lösen.“
 

Ansprechpartner

Kontakt:

Andreas Metz
Tel: 030 2028-1441
A.Metz@bdi.eu

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