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Neuer Impuls gen Osten?

15.11.2009

Eine erste Bilanz von sechs Monaten Östliche Partnerschaft der EU

Seit dem 7. Mai 2009 ergänzt die sogenannte Östliche Partnerschaft die bisherige Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP). Geografisch fasst die Initiative, die auf schwedisch-polnischen Druck hin entstand, die Länder Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und die Ukraine in einem politischen Rahmen zusammen. Einerseits dient die Initiative als Antwort auf die wachsende Kritik an einer ‘one-size fits all policy’ gegenüber den Nachbarstaaten der EU. Andererseits wird die Initiative auch als Erwiderung der französischen Initiative der Mittelmeerunion interpretiert.

Doch bereits vor ihrem offiziellen Beginn im Mai 2009 in Prag war das Konzept der Östlichen Partnerschaft politisch umstritten. Einige europäische Regierungschefs kritisierten die Einladung des belarussischen Präsidenten Lukaschenko nach Prag, der dem Gipfel letztlich aber fern blieb. Mit Ausnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel wohnten kaum europäische Regierungschefs dem Prager Gipfel bei. Zudem fiel der Start mit dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise zusammen, was innerhalb der EU wenig Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit einer neuen Politik gegenüber sechs wirtschaftlich und politisch sehr unterschiedliche Ländern ließ.

Die meisten der sechs an der Östlichen Partnerschaft beteiligten Länder sind von so genannten „frozen conflicts“ betroffen. Im Falle Armeniens und Aserbaidschans sind sogar miteinander verfeindete Länder Teilnehmer des Programms. Insbesondere die Ukraine aber auch Moldau sehen  sich im Kontext ihrer Beziehungen zur EU gegenüber den anderen Partnerländern durch die Einbeziehung in die Östliche Partnerschaft benachteiligt, da mit dieser keine direkte EU-Beitrittsperspektive verbunden ist. Harte Kritik äußerte zudem Russland am gesamten Projekt. Der russische Außenminister sprach von einer Ausweitung der europäischen „Einflusszone“ auf Kosten seines Landes.

Strategische Bedeutung der Region für die Europäische Union

Doch angesichts der geostrategischen Bedeutung der Region aus politischer und wirtschaftlicher Sicht gilt es der "Östlichen Partnerschaft“ wachsende Aufmerksamkeit zu widmen. Wie bereits während der Initiierung der Europäischen Nachbarschaftspolitik steht weiterhin die Kernfrage nach einer sicheren Grenzregion in der Europäischen Nachbarschaft im Vordergrund europäischer Interessen. So schreibt die Financial Times Deutschland am 6. Mai 2009 „[…] es liegt im ureigenen Interesse der Gemeinschaft, an ihren Rändern Nachbarn mit ähnlichen Werten und Normen zu haben. Demokratien sehen nicht nur netter aus. Sie sind auf lange Sicht die verlässlicheren Vertragspartner, von ihnen geht weniger militärische Gefahr aus, und sie sind attraktiver für Investoren […]“. Für die EU stehen diesbezüglich insbesondere drei Aspekte im Vordergrund: Sicherung politischer Stabilität und Good Governance in der Region sowie eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung: dies nicht zuletzt in Anbetracht der geopolitischen Lage der Länder, insbesondere des Südkaukasus in der Nachbarschaft der Türkei, des Iran und Russlands sowie der Bedeutung als Lieferanten und Transitländer im Energiebereich. Sowohl die Eskalation des Kaukasus-Konflikts im Sommer 2008 als auch die Unterbrechung der russischen Gas-Lieferungen durch die Ukraine im Januar 2009 warfen in jüngster Zeit Schlaglichter auf die möglichen Auswirkungen politischer Instabilität in der Region auf ganz Europa.

Mehrwert der Östlichen Partnerschaft

Als Fortführung der Europäischen Nachbarschaftspolitik verfolgt die EU verschiedene bilaterale Ziele mit den Teilnehmerländern der Östlichen Partnerschaft, insbesondere im Bereich der Annäherung der Länder an EU-Standards, inklusive in Aussicht gestellter Freihandelsabkommen und Visa-Erleichterungen. Ergänzt wird der ursprüngliche Ansatz der ENP jedoch durch einen multilateralen Ansatz, sogenannte thematische Plattformen sowie zusätzlicher Vorreiterinitiativen. Letztere widmen sich unter anderem den für die Wirtschaft bedeutsamen Bereichen Grenzverwaltung, KMU-Fazilität, Förderung regionaler Strommärkte und Energieeffizienz inklusive der Entwicklung des südlichen Energiekorridors.

Gegenwärtig lässt sich allerdings ein wirklicher Mehrwert der Östlichen Partnerschaft noch nicht identifizieren. Zwar richtet sich die Initiative an eine wesentlich kleinere Anzahl an Ländern als dies unter der ENP der Fall ist und soll insbesondere auch Beziehungen unter den Teilnehmerländern selbst fördern. Ob dies aber so umsetzbar ist, muss noch abgewartet werden.

Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftkrise hat die sechs Partnerländer schwer getroffen und stellt die finanzielle Ausstattung der Östlichen Partnerschaft mit einem Budget von 600 Millionen Euro bis 2013 auf die Probe. Die Krise erfordert zudem eine Auseinandersetzung mit den kurzfristigen Problemen denen die Partnerländer ausgesetzt sind, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, um eine Intensivierung von protektionistischen Maßnahmen zu vermeiden. Insbesondere wirtschaftspolitische Anreize wie Freihandelsabkommen und Visa-Erleichterungen bedürfen einer kritischen Betrachtung in Anbetracht der unterschiedlichen Annäherungsstufen der sechs Partnerländer an die Europäische Union.

Zudem führten Einflüsse einzelner EU-Mitgliedstaaten zu einer abgemilderten Formulierung in der Erklärung zur Östlichen Partnerschaft was den Aspekt der Visa-Liberalisierung betrifft; wesentliche Einschränkungen sind weiter möglich. Somit steht die Östliche Partnerschaft auch sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten vor grundlegenden Herausforderungen.

Zwar hat die Europäische Union einen Rahmen geschaffen Belarus in die Nachbarschaftspolitik miteinzubeziehen sowie sie erst Mitte November die Aussetzung der EU-Sanktionen gegenüber dem Land verlängerte, doch bleiben strategisch wichtige Akteure in der Region wie Russland und die Türkei weiterhin ausgeschlossen. Es sind jedoch gerade die wesentlichen Fragen wie Energieeffizienz und Energiesicherheit, die ohne eine Beteiligung insbesondere Russlands nicht gelöst werden können. Nicht zuletzt teilen fünf der sechs beteiligten Staaten eine gemeinsame Grenze mit Russland.

Herausforderungen für die Europäische Union – Chancen und Risiken

Die Zukunft der Östlichen Partnerschaft ist sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden. Einen positiven Impuls könnte das Inkrafttreten des Lissabon Vertrags geben. Dieser stellt die Europäische Union außenpolitisch und insbesondere aus repräsentativer Sicht auf eine neue Handlungsebene. Einige, wenn auch vorsichtige, positive Entwicklungen lassen sich zudem dem letzten EU-Russland Gipfel in Stockholm am 18. November entnehmen. Zwar konnte weiterhin kein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland beschlossen werden und somit bleibt dies weiterhin das größte Risiko für einen Stillstand, doch gelangen kleinere Fortschritte etwa in Form eines russisch-europäischen Frühwarnsystems für mögliche Lieferunterbrechungen bei Rohstoffen.

Die größten Herausforderungen stehen dennoch weiterhin bevor. Hier gilt es vor allem die Frage zu lösen, wie der Südkaukasus intensiver in die Östliche Partnerschaft zu integrieren ist. So schreibt die Heinrich-Böll-Stiftung „es besteht die Gefahr, dass die Östliche Partnerschaft sich darauf beschränkt, Belarus letztendlich miteinzubeziehen sowie in eine neue Verhandlungsrunde mit der Ukraine überzugehen, dabei aber den Südkaukasus zu vernachlässigen“.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und als glaubhafter Akteur aufzutreten, muss die Europäische Union jedoch zuerst selbst mit einer Stimme gegenüber ihren Östlichen Partnerländern sprechen.

Anne Ludwigs
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

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