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Vom Landwirt zum Verbraucher

Internationales Wirtschaftspodium im Rahmen des GFFA am 22. Januar 2011 in Berlin

Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) - die politische Auftaktveranstaltung der Internationalen Grünen Woche in Berlin - stand 2011 unter dem Leitthema „Handel und Sicherung der Welternährung: Global – Regional - Lokal“. Neben Regionalpodien mit Beteiligung der Landwirtschaftsminister aus Osteuropa und Zentralasien organisierte der Ost-Ausschuss zusammen mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), dem Deutschen Bauernverband (DBV), der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein internationales Wirtschaftspodium zum Thema „Vom Landwirt zum Verbraucher – Initiativen der Wirtschaft für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion“.

Vor 250 Teilnehmern in der Telekom-Repräsentanz Berlin betonte DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer im Namen der fünf Veranstalter, dass europäische Landwirte überwiegend in gut funktionierende Wertschöpfungsketten eingebettet seien. Global seien hier jedoch erhebliche Defizite zu beobachten. Dadurch seien Produktion und Warenfluss erheblich eingeschränkt, was die Hungerproblematik dramatisch verschärfe.

Franz-Georg von Busse, Sprecher der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss,  beschrieb in seinem Statement die Modernisierungspartnerschaft der deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft  mit Ländern wie Russland und der Ukraine. Diese Partnerschaft, die darauf abziele, durch moderne Technologie und dazu passenden Ausbildungsangeboten die einzelnen Prozesse von der Aussaat bis zur Verarbeitung und Vermarktung von Produkten zu optimieren, habe Modellcharakter für die wirtschaftliche Zusammenarbeit weltweit.

Gutes Marktumfeld für Landwirte

„Das Marktumfeld für die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist so günstig wie seit hundert Jahren nicht mehr”, sagte Ken Ash, OECD-Direktor für Handel und Agrar . Seine Einschätzung begründete Ash vor den etwa 250 Vertretern aus Wirtschaft und Politik mit knapper werdenden Ressourcen und steigender Nachfrage und forderte sie auf: „Helfen Sie den Menschen, die landwirtschaftliche Produktivität und Produktion zu erhöhen.“ Für Ash sind die aktuellen Rohstoffpreisanstiege keineswegs ungewöhnlich. In der Vergangenheit habe es Perioden mit wesentlich stärkeren Schwankungen gegeben. Auch der Einfluss der Spekulation auf die Märkte ist für ihn keinesfalls erwiesen. 

Hubert Weber, zuständig für das europäische Kraft Foods Kaffeegeschäft, erläuterte in seinem Referat die Nachhaltigkeitsstrategie seines Unternehmens. Bereits Mitte der 1990er Jahre habe Kraft in Zusammenarbeit mit GIZ und der Umweltschutzorganisation Rainforest Alliance damit begonnen, Bauern in Peru zu qualifizieren, um deren Kaffeeanbau effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Nach vielen Kaffeeländern entlang des Äquators sei das Programm inzwischen auch auf Kakaobauern in Westafrika ausgeweitet worden. „Die Nachhaltigkeit muss in den Ursprungsländern ansetzen“, betonte der Kaffee-Experte. „Unser Engagement dient der Qualität und Quantität der Rohstoffe und einer intakten Versorgungskette.“ Immer mehr Verbraucher wollten Produkte von verantwortungsvoll handelnden Unternehmen kaufen. Daher müsse man auch als Unternehmen Impulse geben, um die Konsumenten zu nachhaltigem Handeln zu ermutigen. Damit nachhaltige Wertschöpfungsketten erfolgreich seien, brauche es aber Transparenz, denn Nachhaltigkeit dürfe kein „Greenwashing“ sein. Sein Appell an die anwesenden Vertreter aus Wirtschaft und Politik: „Unternehmen brauchen Visionen, die von einem Ende der Wertschöpfungskette zum anderen gehen.“ Gleichzeitig erteilte er den intransparenten Börsenspekulationen an den Agrarrohstoffmärkten eine Absage und begrüßte es, dass sich die europäischen Agrarpolitiker verstärkt dieses Themas annehmen wollen.

Wertschöpfungsketten wären ohne Bauern unmöglich, betonte Márcio Lopes de Freitas, Präsident des Brasilianischen Genossenschaftsverbandes. Gerade in der brasilianischen Landwirtschaft spielten sie eine „grundlegende Rolle“, denn der Ausbildungsgrad und die Motivation der Farmer seien hoch. Die Mischung aus kleinen und großen Betrieben, die Gleichberechtigung von ungleich großen Partnern innerhalb der Genossenschaften sei das Erfolgsgeheimnis der Kooperativen, denn die „Kraft eines großen Bauern kann die kleinen mit sich ziehen.“ In Bezug auf den Zugang zu Land und die Landverteilung seien in Brasilien durch die politischen Reformen der letzten Dekade erhebliche Fortschritte erzielt worden. Mit Wertschöpfungsketten sei man auf dem richtigen Weg, so Lopes. Er setzt vor allem auf die jungen, gut ausgebildeten Landwirte des Landes, die das Potenzial ausschöpfen werden, das die Wertschöpfungsketten bieten. „Wir wollen am Lebensmittelmarkt der ganzen Welt teilhaben, wir sind darauf vorbereitet.“ In die gleiche Richtung äußerte sich auch Asger Krogsgaard, Vizepräsident des Danish Agriculture & Food Council. Er betonte, als Landwirt sei es wichtig, Teil der Wertschöpfungskette zu sein. Um erfolgreich zu sein, müsse man Teil des globalen Marktes sein.

Joachim Felker, Vorstandsmitglied der K+S Aktiengesellschaft, mahnte eindringlich zu Transparenz und Partnerschaft innerhalb von Wertschöpfungsketten, denn das sei die Voraussetzung zum Erfolg. Große Sorge bereite ihm die Korruption, die auf den globalen Märkten stark zugenommen habe. Für ein erfolgreiches Investment seien klare und verlässliche wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen und wirksame Korruptionsbekämpfung unabdingbare Voraussetzung. Damit war er sich mit Ken Ash einig, der zudem besser funktionierende Marktmechanismen forderte und eine Fortsetzung der Öffnung der Märkte durch die Handelspolitik.

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung

„Standards sind einerseits notwendig für das optimale Zusammenwirken von Wertschöpfungsketten, sie können aber auch als Handelshemmnis wirken“, mahnte Prof. Dr. Ulrich Nöhle, Interim Manager und Honorarprofessor an der TU Braunschweig. Für viele Entwicklungsländer sei es schwierig, mit der zunehmenden Anzahl von privatwirtschaftlichen Standards und Zertifizierungen zurechtzukommen. Er forderte, „diese Standards müssen weltweit besser abgestimmt werden und die Landwirte müssen vor Ort bei der Umsetzung stärker unterstützt werden.“ Unterstützung erhielt er dabei von Prof. Dr. Maggie Kigozi, Geschäftsführerin Uganda Investment Authority. „Standards sind wichtig, aber es ist genau so wichtig, dass die Firmen, die in unser Land kommen, profitabel sind, damit sie bei uns Steuern bezahlen und Arbeitsplätze schaffen.“ Sie wies darauf hin, dass Uganda inzwischen einen stabilen Binnenmarkt habe und das Land somit nicht auf Gedeih und Verderb auf den Export angewiesen sei. Dennoch sei der Zugang zu den Märkten für die Entwicklung essenziell, daher forderte sie die Industrieländer dazu auf, den Ländern des Südens weniger durch Hilfe und Almosen unter die Arme zu greifen und mehr den multilateralen Handel zu unterstützen.

Wie die künftigen Lösungen aussehen können, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Auf jeden Fall aber müssen sie kreativ sein, wie Hans Reitz, Gründer und Creative Director des The Grameen Creative Lab, nachdrücklich betonte. Übernahme sozialer Verantwortung durch Unternehmen sei ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dadurch stiften Unternehmen großen Nutzen für sich selbst und für ihr Umfeld. Zahlreiche Beispiele in Asien, Afrika und Südamerika zeigten, dass Handel, Wertschöpfung und allgemeine Wohlfahrt hierdurch erheblich gesteigert werden können.

Das diesjährige Internationale Wirtschaftspodium machte deutlich, dass Wirtschaftsunternehmen schon heute wichtige Beiträge für eine nachhaltige Landwirtschaft und für Entwicklung leisten. Wertschöpfungsketten sind allerdings nur dann nachhaltig und langfristig erfolgreich, wenn alle daran beteiligten Akteure sowie die Regierungen daran mitarbeiten und für geeignete politische Rahmenbedingungen sorgen. Deutlich wurde auch, dass hohe Standards zur Aufrechterhaltung der Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit notwendig sind, diese aber nicht zur Abschottung von Märkten führen dürfen.
 

Kontakt:

Gerlinde Sauer
Tel: 030 2028 - 1569
G.Sauer@bdi.eu

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