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Von Compliance bis Joint Ventures

01.12.2011

Ost-Ausschuss informierte über aktuelle Rechtsentwicklungen in Russland

Russland gehört für die deutsche Wirtschaft zu den wichtigsten Partnerländern bei Handel und Investitionen. Der Beratungsbedarf deutscher Unternehmen ist entsprechend groß. Daher veranstaltete der Ost-Ausschuss am 1. Dezember 2011 in Stuttgart bereits zum elften Mal eine Rechtskonferenz Russland.

Für die dingend notwendige Diversifizierung und Modernisierung der russischen Industrie sind Joint Ventures (JV) zwischen russischen Unternehmen und westlichen Partnern ein interessantes Modell. Florian Schneider und Anton Kunashow von der Kanzlei SALANS zeigten die Möglichkeiten zur Strukturierung solcher Gemeinschaftsunternehmen auf.

Die Gründung eines JV nach russischen Recht (on shore) hat schlanke gesellschaftsrechtliche Strukturen, birgt aber das Risiko, dass international angewendete Rechtskonzepte von den zuständigen russischen Gerichten für ungültig erklärt werden. Bei einem ausländischen Gemeinschaftsunternehmen mit hundertprozentiger Tochtergesellschaft in Russland (off shore) besteht hingegen zwar ein höherer Aufwand bei Gründung und Unterhalt des JV, jedoch ermöglicht es die Strukturierung nach internationalen Standards und einen Zugriff auf die Gesellschaftsanteile des JV-Partners als letzte Haftungsmöglichkeit.

Doch egal, für welche Struktur man sich entscheidet, wichtig sei es, eine ausreichend bemessene Vorbereitungsphase einzuplanen, ergänzte Bettina Bloemers, Vice President Legal, Remediation & Insurance, RÜTGERS Holding Germany GmbH. Zudem sei dringend darauf zu achten, dass die Projektteams der beiden Partner spiegelbildlich aufgestellt sind - eine Verhandlung auf Augenhöhe ist für den Erfolg ganz maßgeblich, so die Erfahrung aus dem im September 2011 erfolgreich geschlossenen JV mit dem zweitgrößten russischen Stahlhersteller, OAO Severstal.

Corporate Compliance: Schwerpunkt Korruptionsbekämpfung hieß ein weiteres hoch aktuelles Thema. Nach der Geschäftsklima-Umfrage des Ost-Ausschusses und der AHK Moskau sehen deutsche Unternehmen in Russland bei der Bekämpfung von Korruption den größten Reformbedarf - unmittelbar nach dem Bürokratieabbau. Und auch im weltweiten Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International landet Russland nur auf Platz 143.

Clemens Schlotter und Igor Schikow von der Kanzlei Egorov Puginsky Afanasiev & Partners zeigten auf, dass die Compliance-Relevanz von unternehmerischen Bereichen bereits bei der Geschäftsplanung abgeschätzt werden sollte. Besonders risikoanfällig für Verstöße gegen Gesetz beziehungsweise unternehmensinterne Richtlinien sind in Russland die Bereiche Einfuhrabwicklung und Verzollung, Erschließung von Baugrundstücken, Bauvorhaben und das Betreiben von Industrieanlagen, so die Rechtsexperten. Lösungsansätze könne die bewusste Ausklammerung solcher Bereiche aus dem Funktions- und Aufgabenprofil der jeweiligen Landeseinheit oder die Implementierung von risikoarmen Geschäftsmodellen mit Übertragung von betroffenen Funktionen auf Geschäftspartner sein.

Zum 1. Januar 2012 tritt in Russland ein neues Verrechnungspreisgesetz in Kraft. Patrick Pohlit, Alexander Judowitsch und Michael Scharf von der Kanzlei Rödl & Partner zeigten die sehr praxisrelevanten gesetzlichen Neuerungen auf. Das Gesetz erweitert die Liste der sogenannten Kontrollierbaren Geschäfte, erhöht die zulässigen Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung auf nunmehr fünf Verfahren und begründet neue umfangreiche Dokumentations- und Darlegungspflichten für betroffene Unternehmen.

Das Gesetz wird weiterhin aktuell bleiben. So sind für das erste Quartal 2012 bereits 60 technische Änderungen angekündigt. Zudem wird der Beitritt Russlands zur WTO und OECD erhebliche Auswirkungen auf das Gesetz haben.

Oft gehen deutsche Unternehmen mit Beteiligungen oder Geschäftseinheiten in Russland bei Umstrukturierungen oder sonstigen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in Deutschland fälschlicherweise davon aus, dass diese Umstrukturierungen auch in Russland automatisch greifen. Im Forum Restrukturierungen im Ausland und ihre Auswirkungen auf die Aktivitäten in Russland erläuterte Irene Engel von der Kanzlei CMS Russia, welche Formalitäten in Russland beachtet werden müssen.

Die Anforderungen können erheblich sein: Wenn beispielsweise die Umstrukturierung zur Änderung der Registrierungsnummer des ausländischen Unternehmens im Handelsregister führt, so verlangen russische Behörden, dass die bestehende Repräsentanz/ Niederlassung geschlossen und eine neue mit der neuen Registrierungsnummer eröffnet wird. Diese Prozedur der Reorganisation kann bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen.

Torsten Syrbe von der Kanzlei Clifford Chance gab einen Überblick über die rechtlichen Aspekte für Exportgeschäfte nach Russland. Ein vorheriges Screening des Vertragspartners, eine klare Rechtswahl, die Aufnahme einer Schiedsklausel sowie eine compliance-gerechte Ausgestaltung der Exportabwicklung sollten unbedingt erfolgen. Zudem sollte der Zahlungsanspruch hinreichend abgesichert sein, in der Praxis vernachlässigen dies viele Unternehmen leider. Als Sicherungsmittel kommen Garantien, Bürgschaften, Pfandrechte und Exportversicherungen in Frage.

Dr. Wencke Mull, Abteilungsdirektorin bei der Atradius Kreditversicherung, ergänzte aus Sicht eines Exportversicherers, dass bei der Prüfung des Geschäftspartners besonders sorgfältig vorgegangen werden sollte. Russische Steuerbilanzen weisen oftmals einen minimierten Ertrag aus, Vermögenswerte sind in off shore Gesellschaften ausgelagert, Abschlüsse nicht konsolidiert und Finanzdaten unzureichend geprüft. Es empfiehlt sich daher, konsolidierte Management Accounts hinzuzuziehen.

Ohne ein Schutzrecht für immer aus der Hand geben zu müssen, können deutsche Unternehmen in Russland mit einem Lizenzvertrag Einnahmen generieren. Andreas Steininger und Taras Derkatsch von der Kanzlei BEITEN BURKHARDT zeigten auf, dass der Anwendungsbereich von Lizenzverträgen in Russland sich aber nicht nur auf Vereinbarungen mit Dritten beschränkt, sondern deutlich weiter gefasst ist. Wenn beispielsweise eine Tochtergesellschaft in Russland eine Marke der deutschen Muttergesellschaft nutzen soll, um in Russland Marketing zu betreiben, so ist bereits ein Lizenzvertrag zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft notwendig. Trotz des weiten Anwendungsbereiches von Lizenzvereinbarungen und einer Registrierungspflicht der Schutzrechte gibt es durch die Kodifizierung des Linzenzvertrags in Russland klare und praktikable rechtliche Strukturen für Lizenzvereinbarungen, so die Rechtsexperten.

Matthias Toepfer
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

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