Am 8. August 2025 ereignete sich in Washington Historisches: Armenien und Aserbaidschan beseitigten unter Vermittlung der USA das letzte große Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensabkommen. Die Einigung erleichtert den grenzüberschreitenden Handel und weckt große Hoffnungen auf einen beschleunigten Wirtschaftsaufschwung in der Region. Gleichzeitig verschlechtert sich die Lage in Georgien. Der EU-Beitritt des Landes ist durch innenpolitische Entwicklungen in weitere Ferne gerückt. Der Ost-Ausschuss hat sich im Herbst an Delegationsreisen und einer Reihe von Veranstaltungen zur Region beteiligt, über die Ost-Ausschuss Regionaldirektorin Alena Akulich in diesem Beitrag berichtet.
Am 29. Oktober organisierten der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) und die European Business Association (EBA) Armenien im Rahmen der 12. Ordentlichen Sitzung der Parlamentarischen Versammlung EuroNest zum ersten Mal im armenischen Parlament in Jerewan den Strategiedialog: „Synergien zwischen Armenien und der EU: Förderung von Resilienz, Innovation und Integration“. Das Side Event brachte Mitglieder des Europäischen Parlaments, politische Entscheidungsträger, Führungskräfte aus der Wirtschaft und Experten aus der EU und den Ländern der Östlichen Partnerschaft zusammen.
Im Mittelpunkt des Dialogs standen die Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, die Förderung von Innovation und die Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit mit Armenien.
Armenien präsentierte sich dabei als Land mit großem Potenzial, aber auch mit klaren Herausforderungen. Die Verbesserung der logistischen Anbindung bleibt eine Priorität, denn ohne funktionierende Connectivity sind Investitionen kaum realisierbar. In Gesprächen – unter anderem im armenischen Parlament – wurde betont, dass Frieden und politische Stabilität Grundvoraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung sind. Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung sind Bereiche, in denen noch einiges zu tun ist, insbesondere im Steuerbereich.
Ein wiederkehrender Punkt war die Frage der Visa-Liberalisierung: Erleichterte Einreisebedingungen könnten den Austausch und die Zusammenarbeit mit europäischen Unternehmen deutlich intensivieren. Ebenso wichtig ist die Exportdiversifizierung: Armenien verfügt zwar über hochwertige Produkte und Rohstoffe im Bergbau, kämpft aber noch mit technischen Problemen beim Vertrieb.
Spannend ist auch die digitale Agenda Armeniens: Das Land möchte sich als „Digital Hub“ positionieren und setzt auf Themen wie Kryptographie und Cybersicherheit als Wettbewerbsvorteile. Hier liegt ein enormes Potenzial für Kooperationen. Allerdings muss die Exportförderungsagentur ihre Strategie anpassen, um diese neuen Chancen zu nutzen.
Im Austausch wurde von mehreren Teilnehmern betont, wie wichtig der regelmäßige Dialog zwischen Politik und Wirtschaft für eine nachhaltige Integration ist.
Seit Anfang 2025 schlägt die georgische Regierung zunehmend antiwestliche Töne an und bezeichnet Kritik aus Brüssel als Einmischung. Das hat die politische Spaltung im Land weiter vertieft. Zwar weht die EU-Flagge noch am Parlament in Tiflis, doch die Regierung der Partei Georgischer Traum hat den EU-Beitrittsprozess Ende 2024 bis mindestens 2028 auf Eis gelegt – und geht seit über einem Jahr hart gegen pro-europäische Proteste der Zivilgesellschaft vor.
Die Spannungen spiegeln sich auch in den Beziehungen zu Deutschland: Im Oktober 2025 rief Berlin seinen Botschafter aus Tiflis zu Konsultationen zurück – ein klares Signal für die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen. Hintergrund sind wiederholte verbale Angriffe der georgischen Regierung auf Deutschland und die EU. Das Bundesentwicklungsministerium stoppte Projekte im Wert von rund 237 Millionen Euro, die ursprünglich die EU-Annäherung fördern sollten. Stattdessen fließt die Unterstützung nun gezielt in die Stärkung der Zivilgesellschaft und pro-europäischer Kräfte.
Trotz allem bleibt Georgien geopolitisch und wirtschaftlich ein wichtiger Akteur – vor allem als Drehscheibe im Mittleren Korridor zwischen Europa und Asien. Deutsche Unternehmen sehen Chancen, doch die politische Unsicherheit ist ein ernstes Risiko und schreckt Investoren ab.
Aserbaidschan entwickelt sich rasant zu einem strategisch wichtigen Knotenpunkt zwischen Europa und Asien. Vom 4. bis 7. November fand eine Marktsondierungsreise in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku statt, die der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) und die LEG Thüringen in Kooperation mit AHK Baku und Commit organisiert haben. Von Seiten des Ost-Ausschusses nahmen einige Mitgliedsunternehmen sowie der Sprecher des Arbeitskreises Südkaukasus Andreas Kuba (Veridos GmbH) an der Reise teil.
Ziel war die Erkundung der Marktchancen in Aserbaidschan mit Fokus auf Logistik, Digitalisierung, grüne Energien und Umwelttechnik. Aserbaidschan präsentierte sich dabei als dynamischer Partner mit klarem Fokus auf Ausbildung, Digitalisierung und Logistik. Besonders groß ist das Interesse an Kooperationen im Bereich der Fachkräfteentwicklung für Transport und Logistik. Deutsche Unternehmen können hier vor allem in Nischen punkten, denn Qualität „Made in Germany“ wird geschätzt – insbesondere bei Maschinen.
Die Delegationsreise bot spannende Einblicke: Die Treffen mit dem Ministerium für digitale Entwicklung und Transport, der Alat Free Economic Zone, AZAL (Azerbaijan Airlines) und einem Recyclingunternehmen zeigten die Bandbreite der Themen – von Digitalisierung über Luftfahrt bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Der Austausch mit dem Hafen von Baku verdeutlichte die strategische Bedeutung des Mittleren Korridors für die Region.
Sehr inspirierend war außerdem das Networking-Dinner mit Vertretern führender Unternehmen wie Azerbaijan Railways, BP und Silk Way West Airlines. Dabei wurde deutlich, dass Aserbaidschan auf Innovation, grüne Wachstumsstrategien und digitale Transformation setzt und dafür nach starken Partnern sucht.
Die Reise hat gezeigt, wie unterschiedlich aktuell die drei Länder aufgestellt sind – und wie groß die Chancen für deutsche Unternehmen sind, wenn die richtigen Hebel angesetzt werden. In Armenien sind Digitalisierung und Exportdiversifizierung Schlüsselthemen, in Georgien geht es vor allem aktuell um das Thema Connectivity und in Aserbaidschan stehen Logistik, Energie und Fachkräfteentwicklung im Vordergrund.
Visa-Erleichterungen, politische Stabilität, Governance-Reformen und Plattformen für B2B-Kontakte sind zentrale Faktoren, um die Zusammenarbeit mit dieser Region zu vertiefen. Der Südkaukasus bleibt ein herausfordernder, aber auch interessanter Partner – und die Reise hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig der regelmäßige Austausch zwischen Wirtschaft und Politik für beide Seiten ist.
Alena Akulich
Regionaldirektorin für Osteuropa
Alena Akulich
Regionaldirektorin Osteuropa
T. +49 30 206167-113
A.Akulich@oa-ev.de
Kontakt Newsletter
