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US-Sanktionspläne: EU prüft Gegenmaßnahmen

01.08.2017

Russland-Sanktionen könnten europäische Unternehmen treffen

Am 25. Juli hat das US-Repräsentantenhaus mit der überwältigenden Mehrheit von 419 zu 3 Stimmen neue Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea verabschiedet. Auch der US-Senat stimmte dem Gesetzespaket zu, die Unterschrift von Präsident Donald Trump gilt als sicher. Die neuen Russland-Sanktionen könnten auch die europäische Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.
Mit dem Gesetz sollen zum einen die Entscheidungsbefugnisse des US-Präsidenten zur Aussetzung bereits bestehender Sanktionen gegen die russische Energieindustrie, den Rüstungssektor und den Finanzsektor deutlich beschnitten werden. Hintergrund dafür ist die in den USA stark diskutierte angebliche Nähe Trumps zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Hier soll einem eigenmächtigen „Deal“ Trumps mit Putin ein Riegel vorgeschoben werden.

Der Gesetzesentwurf sieht aber auch umfassende neue Sanktionen vor, beispielsweise gegen Personen oder Institutionen, die an Aktivitäten zur Verletzung der Cybersecurity beteiligt, in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind oder Waffen an das Assad-Regime liefern. Ebenfalls sanktioniert werden Investoren, die sich mit Summen von mindestens zehn Millionen Dollar an der Privatisierung russischer Staatsunternehmen beteiligen, falls davon Regierungsangehörige unberechtigterweise profitieren. Außerdem wird der Ermessensspielraum der US-Regierung erweitert, Maßnahmen gegen russische Personen und Staatsbetriebe in den Branchen Bergbau, Eisenbahn und Metallindustrie zu erlassen.

Pipeline-Projekte geraten unter Druck

Ausdrücklich ermutigt wird der US-Präsident zudem dazu, grundsätzlich alle Firmen, einschließlich europäischer, zu sanktionieren, die sich am Bau, dem Erhalt oder der Modernisierung russischer Exportpipelines beteiligen. Zwar wurde in der letzten Fassung des Gesetzes - möglicherweise auf europäischen Druck hin - ergänzt, dass der Präsident „Konsultationen mit Verbündeten der USA“ führen soll, bevor er hier Sanktionen erlässt. Wie diese Konsultationen aussehen und welche Verbündeten gemeint sind, bleibt aber offen.

Die Drohung mit Sanktionen sorgt bereits jetzt für erhebliche Unruhe in der europäischen Energiewirtschaft. Die Sorge, vielleicht eines Tages Nachteile auf dem US-Markt zu erleiden, schwebt wie ein Damoklesschwert über der Branche. Insgesamt gibt es rund 90 russische Exportpipelines, die in 13 Länder führen, darunter 5 EU-Länder. An vielen dieser Projekte sind europäische Firmen beispielsweise im Bereich der Instandsetzung und Modernisierung beteiligt.

Konkret angestrebt wird laut US-Gesetz, die geplante Nordstream2-Pipeline durch die Ostsee zu verhindern und gleichzeitig den Export US-amerikanischer Energieressourcen nach Europa voranzubringen, um dadurch Jobs in den USA zu schaffen und die US-Außenpolitik zu stärken. Diese Formulierungen sind in der Gesetzesfassung exakt so enthalten. Das Projekt Nordstream 2 wird von Russland unter Beteiligung von Energiekonzernen aus Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Österreich realisiert. Bereits vier Milliarden Euro wurden investiert. Rund die Hälfte der notwendigen Pipeline-Röhren mit einer Länge von 1100 Kilometern liefert die Firma Europipe aus Mühlheim. Das Projekt würde das Angebot an Erdgas in Europa weiter verbessern und dabei helfen, die in den nächsten Jahren sinkende Förderung innerhalb der EU auszugleichen und die Preise stabil zu halten. Da die Verflüssigung und der Transport von Gas aus den USA nach Europa deutlich teurer und umweltbelastender als Pipelinegas aus Russland ist, steht Nordstream2 in direkter Konkurrenz mit Exportplänen in den USA.

Die geplanten US-Sanktionen gegen die russische Öl- und Gaswirtschaft könnten daher perspektivisch zu einer Verknappung des Angebots und zur Verteuerung von Energie in Europa beitragen, was wiederum negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen in Konkurrenz zu US-Konzernen hätte.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und der österreichische Bundeskanzlers Christian Kern halten die geplante exterritoriale Anwendung von US-Sanktionen auch auf europäische Firmen für „völkerrechtswidrig“. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich laut einer Erklärung von Regierungssprecher Steffen Seibert dieser Sichtweise angeschlossen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte am 26. Juli Gegenmaßnahmen der EU an. „‚America first‘ kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen“, sagte Juncker. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hält Gegenmaßnahmen und einen Handelskrieg mit den USA für möglich. Wie Gegenmaßnahmen aussehen könnten, werde geprüft. Der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok brachte Restriktionen gegen US-Agrarimporte ins Spiel.

Nach Ansicht des Ost-Ausschusses muss ein Handelskrieg mit den USA unbedingt vermieden werden. Deshalb hoffen wir, dass eine exterritoriale Anwendung der US-Sanktionen noch ausgeschlossen werden kann. Als letztes mögliches Mittel bleiben Gegensanktionen aber eine legitime Option.

Die neuen US-Sanktionen sind aber auch aus anderen Gründen ein großes Problem. Sie bedeuten einen Bruch mit dem bislang abgestimmten Vorgehen in der Sanktionsfrage, da sie völlig ohne Konsultation mit der EU eingeführt werden. Durch die Vermischung von politischen Zielen mit eigenen wirtschaftlichen Interessen wird der generellen Akzeptanz der Sanktionen in der Wirtschaft einen schweren Schaden zugefügt. Zu erwarten ist zudem, dass der Vorstoß der USA zu entsprechenden Gegenreaktionen der russischen Seite führen wird. Entsprechende Ankündigungen aus Moskau gibt es bereits. Der Beginn einer neuen Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen ist damit nicht unwahrscheinlich, mit erheblichen Unsicherheiten für die Unternehmen und die Konjunktur in Europa.

Deutscher Osthandel boomt

Die neuen Wolken am Konjunkturhimmel ziehen in einem Moment auf, da sich der deutsche Osthandel auf dem Weg zurück zu alter Stärke befindet: Das Handelsvolumen mit den 21 Ost-Ausschuss-Ländern kletterte in den ersten fünf Monaten 2017 um gut zehn Milliarden Euro auf insgesamt 52 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei legten die deutschen Exporte in 21 osteuropäische Länder um 18 Prozent zu, die deutschen Importe aus der Region kletterten sogar um 27 Prozent. Erstmals nach einer langen Reihe von Krisenjahren - beginnend mit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis hin zum Ukraine-Russland-Konflikt – gibt es eine Lage, in der fast alle Ost-Ausschuss-Länder gleichzeitig Wirtschaftswachstum verzeichnen.

Aufgrund der guten Handelsentwicklung in den ersten fünf Monaten 2017 hebt der Ost-Ausschuss seine Prognose für den deutschen Export nach Russland kräftig an: Anstelle des zu Jahresbeginn erwarteten Zuwachses von rund zehn Prozent, ist nunmehr auch ein Ergebnis von plus 20 Prozent realistisch. Deutlich besser als erhofft, entwickelt sich zudem der Export in die Ukraine und nach Kasachstan. Auch hier sind Zuwächse von über 20 Prozent im Gesamtjahr 2017 zu erwarten. Diese Prognosen stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass die neuen US-Sanktionen nicht zu einer neuen Verschärfung des Ost-West-Konfliktes führen.

Andreas Metz
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Ansprechpartner

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Andreas Metz
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