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Fulminanter Start ins Jubiläumsjahr

OA-Geschäftsführer Michael Harms im Gespräch mit dem Staatsminister des Auswärtigen Amtes Dr. Tobias Lindner
21.01.2022
Virtueller Neujahrsempfang mit Rekordbesuch/ Ministerpräsidentin Schwesig hält Keynote

Mit einem virtuellen Neujahrsempfang ist der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft am 20. Januar erfolgreich in sein Jubiläumsjahr gestartet: Zu dem Empfang, bei dem sich eine Rekordzahl von über 420 Gästen aus Wirtschaft, Politik, Diplomatischem Corps und Verbänden in einem virtuellen Festsaal versammelte, steuerte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig die Keynote bei. Der neue Staatssekretär im Auswärtigen Amt Tobias Lindner nahm an einer Talk-Runde mit Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms teil, ehe sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in acht themenspezifischen Chatrooms austauschen und vernetzen konnten.

Hermes wirbt für Ausbau der Beziehungen mit Mittel- und Osteuropa

In seiner Eröffnungsrede warb der Vorsitzende des Ost-Ausschusses Oliver Hermes für einen weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit den 29 Partnerländern des Ost-Ausschusses. „Der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen, zunächst vor allem mit dem kommunistischen China und der Sowjetunion, nach 1989 dann mit den neu entstehenden Staaten des früheren Ostblocks war und ist seit 1952 unser Auftrag, ja die DNA des Ost-Ausschusses“, sagte Hermes. Er verwies auf die große Bedeutung der Region als Handelspartner. In den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg habe es praktisch keinen Osthandel bundesdeutscher Unternehmen mehr gegeben. „Heute stehen die 29 Partnerländer des Ost-Ausschusses für ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels - rund 500 Milliarden Euro“, sagte Hermes. Deutsche Unternehmen hätten mittlerweile über 145 Milliarden Euro in den 29 Ländern der Region investiert und dort rund zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Diese Investitionen sicherten wiederum hunderttausende Jobs in Deutschland. „Ohne Mittel- und Osteuropa wäre die deutsche Wirtschaft bei weitem nicht so konkurrenzfähig und innovativ“, betonte Hermes. „Wir sind stolz, als Verband ein wichtiger Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein.“

70 Jahre nach seiner Gründung sei die Verständigungsarbeit des Ost-Ausschusses angesichts zunehmender politischer Spannungen in Europa wichtiger denn je, betonte Hermes. Die Länder in Mittel- und Osteuropa könnten verlässliche Partner auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft werden. „Hier warten gigantische Aufgaben und zugleich riesige Chancen auf die deutsche Wirtschaft“, so Hermes. Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende kündigte an, dass der Verband in seinem Jubiläumsjahr eine neue „Kontaktstelle Green Deal“ einrichten werde, die zwischen deutschen Unternehmen und den östlichen Partnerländern vermitteln wird.

Hermes warnte vor dem „gefährlichen Trend, Globalisierung und freien Handel als Gefahr, statt als Chance zu begreifen“. Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen würden zunehmend zum Instrument der Außen- und Geopolitik. Vor diesem Hintergrund warb der Vorsitzende für eine enge Zusammenarbeit mit Osteuropa: „Unser Auftrag als Ost-Ausschuss ist und bleibt es, dem globalen Decoupling in jeder Form entschlossen entgegenzutreten und die Kooperation mit unseren östlichen Nachbarn innerhalb und außerhalb der EU weiter voranzutreiben“, sagt er. „Große Herausforderungen lösen wir am besten gemeinsam“. Dazu gehörten die Bewältigung des Fachkräftemangels, die Digitalisierung, die Modernisierung der Gesundheitssysteme, die Entwicklung der Agrarwirtschaft und die grüne Energiewende. „Eine enge Kooperation mit den Staaten Mittel- und Osteuropas innerhalb und außerhalb der EU kann weiterhin maßgeblich zur Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und strategischen Souveränität Europas beitragen“, sagte Hermes.

Schwesig: „Jede Menge Engagement und Ausdauer“

Ministerpräsidentin Schwesig gratulierte dem Ost-Ausschuss in ihrer Keynote herzlich zum Jubiläum. „Seit 70 Jahren sorgen Sie für ein gutes Miteinander der Wirtschaft mit der Politik in inzwischen 29 Ländern in ganz Osteuropa“, so Schwesig. „Da steckt jede Menge Engagement und Ausdauer dahinter.“ Die Ministerpräsidentin ging dann auf die aktuellen Herausforderungen für international tätige Unternehmen in der Corona-Krise wie die aktuellen Reisebeschränkungen und auf das Thema Wirtschaftssanktionen ein. Politische Konflikte, wie zuletzt in Kasachstan oder aktuell zwischen Russland und der Ukraine, seien „eine Gefahr für Frieden und Stabilität und damit auch für Geschäftsbeziehungen und wirtschaftliche Chancen“. Diese Konflikte müssten auf politischer Ebene gelöst werden. „Wir alle können ein Beitrag dazu leisten, dass wir den Kontakt zu unseren Wirtschaftspartnern, zu unseren Nachbarn und Freunden nicht verlieren“, sagte Schwesig. „Wir können nicht erst dann wieder miteinander reden, wenn alle Konflikte ausgeräumt sind. Im Gegenteil – wir brauchen beständig Dialog.“ Miteinander zu reden, bedeute nicht, seine eigenen Wertvorstellungen aufzugeben. 

Schwesig bezog auch Stellung zur umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2, die in ihrem Bundesland anlandet. Mecklenburg-Vorpommern habe sich immer hinter den Bau der Ostsee-Pipeline gestellt. „Und ich bin sehr dankbar, dass auch der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft immer klar Position bezogen hat, insbesondere auch dann, wenn aus den USA versucht wurde, das Projekt mit Sanktionen und Sanktionsdrohungen zu stoppen“, sagte Schwesig. Die Pipeline werde gebraucht, weil Deutschland zum Gelingen der Energiewende für eine Übergangszeit Gas brauche. In diesem Zusammenhang warb Schwesig für die Zusammenarbeit mit Russland. „Im Übrigen bin ich überzeugt, dass es richtig ist, weiter auf kritischen Dialog und wirtschaftlichen Austausch mit Russland zu setzen“, unterstrich sie.

Schwesig verwies auf die „ganz besonderen Beziehungen“ Mecklenburg-Vorpommerns als ostdeutsches Bundesland und Ostsee-Anrainer zu Polen, Russland und den Baltischen Staaten. Dazu gehörten regionale Partnerschaften zum Beispiel mit dem Leningrader Gebiet oder mit der Woiwodschaft Westpommern und viele vertrauensvolle Kontakte in Politik und Wirtschaft, in Kultur und Wissenschaft. 

Mit Staatssekretär Lindner auf Streifzug durch die Region

Anschließend unternahmen Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms und Staatsekretär Tobias Lindner im Gespräch einen Streifzug durch alle Ost-Ausschuss-Regionen. Mit Blick auf die jüngsten Unruhen in Kasachstan betonte Lindner die Bedeutung des Landes als größtem Handelspartner Deutschlands in der Region. In dieser Hinsicht spiele die Global-Gateway-Strategie der EU eine wichtige Rolle. „Wir messen der Global-Gateway-Initiative große Bedeutung bei“, sagte Lindner. Europa hat sich dort lange unter Wert verkauft. Es ist gut, dass mit Global Gateway jetzt ein Markenkern für das Thema Infrastruktur da ist.“ Lindner forderte die Wirtschaft zu eigenen Initiativen im Rahmen der Strategie auf. Harms kündigte an, dass sich der Ost-Ausschuss im Jubiläumsjahr dem Thema intensiv widmen werde.

Mit Sorge sehe er die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze“, sagte Lindner mit Blick auf den aktuell eskalierenden Konflikt. „Sollte Herr Putin zum dritten Mal die territoriale Integrität der Ukraine verletzen, wird das für ihn einen hohen strategischen, politischen und ökonomischen Preis haben“, sagte Lindner. Aber Dialog sei der einzige Weg aus der Krise. Der Westen sei jederzeit dialogbereit, allerdings ohne jede Forderung zu akzeptieren. Eine weitere Eskalation hätte auch erhebliche Konsequenzen für deutsche Unternehmen. „Das kann nicht in unserem Interesse sein, es kann aber auch nicht im Interesse Russlands sein, da völlig von Europa entkoppelt zu werden“, ergänzte Lindner. Die Bundesregierung sei auf Basis des internationalen Rechts zur Kooperation mit Russland bereit.

In Hinblick auf Nord Stream 2 betonte der Staatssekretär, dass die Einhaltung des europäischen Energierechts eine Selbstverständlichkeit sei. Deswegen sei die Zertifizierung derzeit unterbrochen. Er erinnerte auch an die gemeinsame Erklärung von Altbundeskanzlerin Angela Merkel mit den USA vom Sommer 2021, wonach das Projekt „auf dem Tisch“ läge, falls Russland Energie als Waffe nutze. Gleichzeitig wandte er sich aber klar gegen Bestrebungen des US-Kongresses, die Pipeline mit Sanktionen zu stoppen: „Mit extraterritorialen Sanktionen zu drohen, ist nichts, was wir uns als Bundesregierung gefallen lassen können“, sagte Lindner.

„Dem Klima ist es egal, wo die Emissionen entstehen“

Die auch vom Ost-Ausschuss geforderte Energie- und Klimapartnerschaft insbesondere mit Russland und der Ukraine unterstützte Lindner ausdrücklich. „Dem Klima ist es ja egal, wo Emissionen entstehen“, sagte Lindner. „Daher liegt es natürlich in unserem Interesse mit der russischen Regierung und Wirtschaft im Bereich des Klimaschutzes zusammenzuarbeiten.“ Demnächst werde das Auswärtige Amt ein Wasserstoffbüro in der deutschen Botschaft in Moskau eröffnen. Die Wälder und Moore in Russland seien als natürliche CO2-Senken wichtig für den Klimaschutz. Nun müssten die politischen Rahmenbedingungen für eine solche Kooperation mit Russland und der Ukraine entsprechend gestaltet werden. Auch für andere Länder in der Region gebe es Potenzial in unterschiedlichen Bereichen.

Bezüglich des Konflikts mit Russland besteht der Staatssekretär auf einer Konfliktlösung unter Beteiligung der Europäer. Das wichtigste sei, dass der Westen eine gemeinsame Position habe. Weder das Normandie-Format noch der Minsk-Prozess allein könnten die gegenwärtige Eskalation lösen. Lindner plädierte für einen breiten Dialog im Rahmen der OSZE: „Ich würde mich sehr freuen, wenn es im Rahmen der OSZE möglich wäre, stärker nach Lösungen zu suchen“, sagte er. „Die KSZE-Schlussakte war das Beste, was man sich hat ausdenken können. Die Helsinki-Schlussakte jetzt neu zu erfinden, dafür fehlt mir ein bisschen die Fantasie.“

„EU-Streit mit Polen und Ungarn im Dialog lösen“

Im Hinblick auf die Konflikte der EU mit Polen und Ungarn verwies Lindner darauf, dass die politischen Rahmenbedingungen stimmen müssten. „Wer in der EU Mitglied ist, muss sich vollständig und uneingeschränkt zu den europäischen Werten bekennen“, unterstrich Lindner. Wichtig sei, dass man den Konflikt zunächst im Dialog kläre.

Angesichts der Spannungen auf dem Westlichen Balkan warnte Lindner vor einer Blockade des Beitrittsprozesses, der die Region destabilisieren könne. Es sei gut, dass die bulgarische Regierung im Konflikt mit Nordmazedonien positive Signale aussende und beide Länder in den Dialog kämen. Bezüglich der serbischen Abspaltungsversuche in Bosnien und Herzegowina deutete Lindner neue EU-Sanktionen gegen beteiligte Personen an und unterstrich die Gültigkeit des Abkommens von Dayton. Der Berliner Prozess, in dem sich auch der Ost-Ausschuss einbringt, habe ein „enormes Potenzial“, sagte Lindner. „Wenn man in der Region alles richtig macht  - Stichwort gemeinsamer regionaler Markt, Einführung von freiem Personen-, Güter- und Dienstleistungsverkehr auf dem Westlichen Balkan – dann kriegt man eine ganze Menge hin.“

Von Agrarwirtschaft bis Zentralasien

Im Anschluss nutzen rund 150 Teilnehmende die Gelegenheit, sich an acht virtuellen „Stehtischen“ zu den fünf Regionen des Ost-Ausschusses und den drei Branchenarbeitskreisen Gesundheitswirtschaft, Agrarwirtschaft sowie Energie und Nachhaltigkeit über aktuelle Themen auszutauschen. Diese Zoom-Runden, an denen Vertreterinnen und Vertreter von Mitgliedsunternehmen und wichtige Partner des Ost-Ausschusses aus Wirtschaft und Politik, darunter viele Botschafter aus den Partnerländern teilnahmen, wurden von den jeweiligen Regionalverantwortlichen und Arbeitskreisleiterinnen und -leiter im Ost-Ausschuss moderiert. Die Themenpalette reichte dabei von der aktuellen Situation in Kasachstan und Belarus, über das neue Gesetz zur Gesundheitsvorsorge in Russland bis zu Fragen der europäischen Taxonomie.

Der Ost-Ausschuss - älteste Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft - wurde 1952 auf Initiative des damaligen Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard gegründet und feiert 2022 ihren 70. Geburtstag. Ein Jahr lang wird der Ost-Ausschuss mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Social-Media-Aktionen und Publikationen an die wichtigsten Etappen seiner Geschichte erinnern und mit Unternehmen, Verbänden und Partnern aus seinen 29 Zielländern in Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien über die Herausforderungen der Zukunft diskutieren. Finanziell unterstützt werden die zahlreichen Aktivitäten im Jubiläumsjahr durch mehr als 20 Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses.

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation

Der Ost-Ausschuss führt erstmals eine Umfrage zum Geschäftsklima deutscher Unternehmen in Mittelost- und Südosteuropa sowie Zentralasien durch. Dabei geht es um die wirtschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, die Aktivitäten der deutschen Wirtschaft sowie um die Wirtschaftsbeziehungen zu allen 29 Partnerländern des Ost-Ausschusses. Wir bitten alle Mitgliedsunternehmen und Partner des Ost-Ausschusses herzlich um Beteiligung an der Umfrage. Die Ergebnisse sollen eine detaillierte Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung in einzelnen Ländern/Regionen ermitteln. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre spezifische regionale Expertise mit uns teilen könnten.

Zur Teilnahme nutzen Sie bitte das Passwort: OA2022!

Ansprechpartner

Andreas Metz
Leiter Public Affairs
Tel.: 030 206167-120
A.Metz@oa-ev.de

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