Am 22. und 23. Oktober lud der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Montenegro zur Regionalen Wirtschaftskonferenz nach Budva ein, um eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren Berlin Prozess zu ziehen und die Perspektiven der Länder des Westlichen Balkans (WB-6) für die Integration in die Europäische Union (EU) zu diskutieren. An der Konferenz nahmen mehr als 350 Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Verbänden und Politik teil, darunter auch der montenegrinische Ministerpräsident Milojko Spajic, weitere Ministerinnen und Minister aus der Region und - per Video - Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Im Mittelpunkt der Diskussionen standen zentrale Herausforderungen, vor allem bei der Fachkräftesicherung, der Grünen Transformation und der Digitalisierung. Vor zehn Jahren hatte der Ost-Ausschuss mit der Wirtschaftskammer Montenegro die erste gemeinsame regionale Wirtschaftskonferenz organisiert. Diese knüpfte damals unmittelbar an den ersten Westbalkangipfel an, der im August 2014 auf Einladung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin stattgefunden hatte.
Die montenegrinische Kammerpräsidentin Nina Drakic und der stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende Philipp Haußmann würdigten zur Eröffnung die positive wirtschaftliche Entwicklung der sechs Länder des Westlichen Balkans in den vergangenen zehn Jahren. Regionale Zusammenarbeit und wirtschaftliche Prosperität seien zwei Seiten derselben Medaille. Regionale Kooperation sei aber kein Ersatz für die weitere Integration der WB-6 in die Europäische Union. Gerade deshalb hat der Ost-Ausschuss den Berlin Prozess von Anfang unterstützt, der die regionale Zusammenarbeit und gleichzeitig die weitere Annäherung an die EU fördern soll.
Haußmann verdeutlichte die positiven Effekte am Beispiel der Entwicklung des deutschen Handels mit der Region, die sich zu einem interessanten Investitionsstandort und Handelspartner für die deutsche Wirtschaft entwickelt habe. So habe sich der Handel zwischen Deutschland und den Volkswirtschaften der WB-6 im Jahr 2023 auf knapp 18 Milliarden Euro fast verdreifacht. „Dies ist eine beachtliche Leistung für eine Region mit knapp 18 Millionen Einwohnern", sagte Haußmann. „Das Wachstum zeige das Potenzial der regionalen Zusammenarbeit und sei ein vielversprechender Indikator für zukünftige Projekte und Kooperationen. Dazu sei es notwendig, den konstruktiven Dialog mit den Regierungen sowie mit allen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren fortzusetzen in der Region, um Herausforderungen gemeinsam zu meistern.“
Der montenegrinische Premierminister Milojko Spajic betonte in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit, der Implementierung von Plänen, des weiteren Abbaus von Handelshemmnissen und der Verbesserung der Infrastruktur für die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Für seine Regierung formulierte er den Anspruch, dass sich Montenegro zu einem Land entwickeln müsse, in das die Menschen gerne zurückkehren, statt es zu verlassen, und spielte damit auf eine der zentralen Herausforderungen an, die im Abschlusspanel des Tages aufgegriffen wurde: die Frage der Fachkräftesicherung.
Staatssekretär Sven Giegold würdigte in seiner Videobotschaft die Zusammenarbeit mit der Region und die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre und schlug eine Brücke zum Wirtschaftsforum und dem Treffen der Wirtschaftsminister, die am 24. September auf Einladung von Bundesminister Robert Habeck in Berlin stattgefunden hatten. Die Konferenz in Budva sei eine wichtige Fortsetzung des in Berlin geführten Dialogs. Welchen Stellenwert der Dialog mit den Wirtschaftskammern der WB-6 bei den europäischen Partnern hat, unterstrich der Präsident von Eurochambre, Vladimir Dlouhy, zur Eröffnung
Im anschließenden Dialog mit der kosovarischen Ministerin für Industrie, Unternehmertum und Handel Roseta Hajdari und Ernad Suljevic, Minister für Investitionen und Regionalentwicklung Montenegros, stand die politische Dimension und der Beitrag des Berlin Prozesses zur regionalen Zusammenarbeit und EU-Annäherung im Vordergrund. Die sehr engagierte Diskussion von Unternehmensvertretern machte im Anschluss deutlich, dass der Berlin Prozess ganz konkrete Erleichterungen für grenzübergreifend tätige Unternehmen gebracht hat, aber auch, welche Herausforderungen noch zu bewältigen seien, darunter die weitere Harmonisierung der Gesetzgebung als wichtige Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft. Hier sei die Politik gefragt. Dies gilt insbesondere für die anstehende Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU. Die Wirtschaftskammern in der Region arbeiteten zwar daran, die Unternehmen auf die anstehenden Veränderungen aufmerksam zu machen, damit diese ihre Prozesse anpassen und vorbereiten könnten, dies gelte jedoch nicht für alle Regierungen in der Region.
Basis für eine nachhaltig positive Wirtschaftsentwicklung ist die Verfügbarkeit sowie gute Ausbildung von Arbeitskräften. Im Panel zum Thema Fachkräftesicherung, moderiert von Antje Müller, Programmdirektorin des Stipendienprogramms der Deutschen Wirtschaft, wurde dieses Thema vertieft. Konsens war, dass der Fachkräftemangel eine globale Herausforderung sei, der man ausschließlich mit praxisorientierten Lösungen entgegentreten könne. Neben einer Stärkung der Berufsausbildung sowie der praxisorientierten Weiterbildung im akademischen Segment bedürfe es einer Reform aller Bildungssysteme entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Arbeitsmärkte. Vorzeigeprojekte seien hier etwa das „Skills Expert Programm“, das von der AHK Nordmazedonien implementiert wurde, oder das Stipendienprogramm der Deutschen Wirtschaft, das seit mehr als 20 Jahren erfolgreich die Weiterbildung von Nachwuchskräften in Deutschland für ihren Einsatz in ihren Heimatländern umsetzt.
Um die Abwanderung von Fachkräften zu verringern, müsse man sich gemeinsam und sehr dringend auf modern ausgestattete Gesundheits- und Pflegesysteme, die Versorgung für Kinder und den Ausbau der Infrastruktur konzentrieren. Snjezana Köpruner, CEO von GMT Travnik, verwies dabei auf die Verantwortung der Unternehmen. Ihr Unternehmen investiere jedes Jahr zehn Prozent des Jahresumsatzes in soziale Projekte zur Unterstützung der Mitarbeitenden, sei es durch den Aufbau von Kindergärten oder die Übernahme von Krankenversicherungen. Darüber hinaus sei der Arbeitskräftemangel auch Ergebnis einer demografischen Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werde. Das Thema Automatisierung müsse deshalb weiter an Aufmerksamkeit in den Unternehmen gewinnen.
Der zweite Konferenztag begann mit der Frage nach den Perspektiven der europäischen Integration, die Anja Quiring, Regionaldirektorin Südosteuropa im Ost-Ausschuss, mit dem Chefunterhändler für den EU-Beitritt Montenegros Predrag Zenovic diskutierte. Zenovic verwies auf das klare Ziel Montenegros, die Beitrittsverhandlungen 2028 abzuschließen und Mitglied der EU zu werden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die sich mit der Frage beschäftigte, ob ein grünes Europa ohne den Beitrag der Länder des Westlichen Balkans überhaupt denkbar sei, diskutierten die Teilnehmenden die zentralen Voraussetzungen für die Umsetzung der grünen Agenda in der Region und die Potenziale, die die WB-6 beispielsweise als Exporteure von grünem Strom haben, um die Dekarbonisierung in der EU und damit die Umsetzung des europäischen Green Deal zu unterstützen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Integration der regionalen Strommärkte, wie sie in den Verträgen der Energy Community, vorgesehen ist, der alle Länder der Region angehören
Welche Rolle die regulatorischen Rahmenbedingungen im Bereich der Digitalisierung und insbesondere des E-Commerce spielen, wurde im abschließenden Panel der Konferenz deutlich. So sei die Region in vielen Bereichen bereits gut aufgestellt, aber solange die Politik beispielsweise weiterhin die Vorlage von Tickets oder Fahrkarten in Papierform fordere, würden die Vorteile der Digitalisierung, die viel zum wirtschaftlichen Wohlstand der Region beitragen könnte, verschenkt.
Unterstützt wurde die Konferenz von wpd, Crnogorski Telekom, BASF, Klett Gruppe, Finance in Motion und Germany Trade and Invest, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Anja Quiring
Regionaldirektorin Südosteuropa
Anja Quiring
Regionaldirektorin Südosteuropa
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Antje Müller
Programmdirektorin
Zoran Djindjic Stipendienprogramm der Deutschen Wirtschaft für die Länder des Westlichen Balkans
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A.Mueller@oa-ev.de
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