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Chinesische Aktivitäten in Osteuropa

15.10.2010

Positionspapier des Ost-Ausschusses stößt im In- und Ausland Debatte an

Am 13. Oktober 2010 wurde ein Positionspapier des Ost-Ausschusses zu den Aktivitäten chinesischer Staatskonzerne und deren Absicherung durch marktaggressive Finanzierungsangebote vorgestellt und erzeugte sogleich eine große Resonanz in Wirtschaft, Politik und Medien.

Das Positionspapier basiert auf einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen und Trägerverbände des Ost-Ausschusses sowie auf Zuarbeiten des Bankenverbands, des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und des Verbands der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA).

Zu den Medien, die das Thema aufgriffen, gehörten die ARD, das Handelsblatt, die Financial Times Deutschland, der Tagesspiegel, die Welt, die Süddeutsche Zeitung, die Berliner Zeitung, die BBC und die New York Times. Ein längerer Artikel zum Positionspapier in der englischen Ausgabe der „Financial Times“ führte zu Folgeberichten in den USA, Großbritannien, Polen, Russland, Slowakei, Japan, China, Taiwan und weiteren asiatischen Ländern.

Das siebenseitige Positionspapier dokumentiert das strategische Vorgehen Chinas in den Ländern Osteuropas und Zentralasiens. Chinesische Staatskonzerne sichern sich dort insbesondere in den Branchen Bau, Verkehrsinfrastruktur, Fahrzeugbau, Industrieanlagenbau, Energie und Telekommunikation immer mehr Aufträge für Großprojekte. Gleichzeitig kontrolliert China auch in dieser Region zunehmend den Zugang zu strategischen Rohstoffvorkommen.

Im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an chinesische Staatsfirmen in Osteuropa häufen sich von deutschen Unternehmen die Berichte über Dumping-Angebote, aggressive Finanzierungsmethoden und eine großzügige Absicherung von Geschäftsrisiken durch staatliche Banken. Das verzerrt den Wettbewerb. Dokumentiert werden in dem Positionspapier Fälle unter anderem aus Polen, Serbien, Moldau, Montenegro, Russland, Kasachstan und Usbekistan.

Der wichtigste Vorteil chinesischer Finanzierungen etwa gegenüber Euler Hermes-gedeckten Krediten ist, dass bei ersteren Prämien für Bürgschaften durch die chinesische Exportkreditversicherung häufig nicht in Rechnung gestellt werden. Zum Teil werden weder Management noch Commitment Fees berechnet. Allein dadurch können nach Einschätzung von deutschen Bankinstituten chinesische Staatsbanken Kredite zu etwa acht bis neun Prozent günstigeren Konditionen anbieten. Zur Flankierung von Krediten durch den Staat kommen die niedrigen Lohnkosten für chinesische Arbeitskräfte hinzu, die bei Großprojekten aus China angefordert werden.

Unter Einbeziehung der EU-Kommission, europäischer Kreditanstalten wie der EIB und der EBRD und dem europäischen Wirtschaftsverband Business Europe fordert der Ost-Ausschuss deshalb eine umfassende europäische Antwort auf das chinesische Vorgehen. Unter anderem sollte bei öffentlichen Ausschreibungen in der EU die Berücksichtigung von Bietern aus Ländern, die wie China nicht an den OECD-Konsensus gebunden sind und auch das Government Procurement Agreement (GPA) der WTO nicht unterzeichnet haben, überprüft und gegebenenfalls unterbunden werden. Es kann nicht sein, dass chinesische Staatskonzerne in Europa für nicht marktkonforme Angebote offene Türen vorfinden, auf dem heimischen Markt aber ausländische Wettbewerber durch Protektionismus ausbremsen. Das internationale Rechtsprinzip der Reziprozität muss beachtet und ein level-playing field für alle Wettbewerber geschaffen werden.

Auch in Bezug auf die Sicherung von Rohstoffen müssen Deutschland und die EU ihre Interessen konsequenter vertreten. Am Beispiel Kasachstans hat der Ost-Ausschuss eine Rohstoffstrategie vorgeschlagen und befindet sich dazu in Gesprächen mit der Bundesregierung. Vorbild für eine derartige Strategie könnte das legendäre Erdgas-Röhrengeschäft mit der damaligen Sowjetunion sein.

Nicht zuletzt geht es auch darum, dass die EU in ihrer Nachbarschaftspolitik mit politischen und wirtschaftlichen Angeboten noch stärker auf Transformationsländer wie die Ukraine, Serbien und Russland und auf die zentralasiatischen Länder zugeht, um Reformanstrengungen dort wieder attraktiver und chinesische Angebote weniger lukrativ zu machen.

Andreas Metz
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Das komplette Positionspapier steht als Download in deutscher und englischer Fassung zur Verfügung.

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