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Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion als Mahnung und Verpflichtung

Sowjetische Ehrenmal in Schönholz. Foto: A. Metz
21.06.2021
Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes zum 80. Jahrestag

Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, begann mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion ein besonders blutiges und grausames Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Die deutsche Kriegsführung im Osten und die von Deutschen dabei begangenen unvorstellbaren Verbrechen sind tief im kollektiven Gedächtnis der Staaten Osteuropas verwurzelt. Für uns Deutsche bleibt dieser grauenvolle Krieg Mahnung und Verpflichtung zugleich, die Aussöhnung und Verständigung mit Russland und den anderen Ländern der Region zu einer unverrückbaren Leitlinie unserer Politik zu machen.

Als Vernichtungskrieg geplant

Der deutsche Feldzug gegen die Sowjetunion war von Anfang an als Vernichtungskrieg angelegt. Mit der Vertreibung und Ermordung nationaler Eliten, der gezielten Vernichtung der osteuropäischen Juden, der Hungerblockade von Leningrad oder dem Kommissarbefehl haben Deutsche unvorstellbares Leid über Russland und die anderen Staaten der Sowjetunion gebracht. Über 24 Millionen Tote hatte die Sowjetunion am Ende zu beklagen. Dies darf niemals vergessen werden.

Der Krieg in Mittel- und Osteuropa hatte bereits am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begonnen. Am 22. Juni 1941 folgte dann der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Neben Polen wurde dadurch vor allem das heutige Territorium von Westrussland, Belarus, der Ukraine und Moldaus sowie die baltischen Staaten und sogar Teile Georgiens zum Kriegsschauplatz und Ort schlimmster deutscher Verbrechen durch die Versklavung und Ermordung der dortigen Eliten, von Minderheiten und ganzer Volksgruppen.

Mitverantwortung der Wirtschaft

Dafür trägt auch die damalige deutsche Wirtschaft eine erhebliche Mitverantwortung. Viel zu viele deutsche Unternehmen waren Teil und Profiteure des Krieges im Osten, ob als Produzenten militärischer Güter, Bezieher von Rohstoffen oder durch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Es ist daher auch eine historische Verantwortung für die heutige deutsche Wirtschaft, als wichtige gesellschaftliche Kraft, Brücken nach Osteuropa zu schlagen und auszubauen. 

Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden politischen Spannungen zwischen Russland auf der einen und der EU auf der anderen Seite müssen wir auch von Seiten der Wirtschaft weiter darauf hinarbeiten, dass Verständigung möglich bleibt. „In dieser schwierigen Phase unserer Beziehungen müssen wir darauf achten, dass nicht alle Verbindungen abreißen“, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Ost-Ausschuss bei unserem Virtuellen Jahresauftakt am 25. Februar ins Stammbuch geschrieben. Die Bundesbürger wünschen sich mehrheitlich eine engere Kooperation zwischen der EU und Russland, hat eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des Ost-Ausschusses ergeben. Unter dem Gesichtspunkt der Verständigung ist es auch zu begrüßen, dass US-Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche in Genf miteinander gesprochen haben, auch wenn die Differenzen groß bleiben. Dialog ist immer besser als Sprachlosigkeit.

Aus Gegnern wurden Freunde

Der Ost-Ausschuss hat bereits seit seiner Gründung im Jahr 1952 den Versöhnungsprozess vorangetrieben und früh Netzwerke in die Sowjetunion geknüpft. Der wirtschaftliche Brückenschlag nach Osten ist seit fast 70 Jahren ein Kernanliegen des Ost-Ausschusses. Die enge und weiter wachsende wirtschaftliche Verflechtung mit Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist ein aktiver Beitrag zur Friedenssicherung und Verständigung. Tausende deutsche Unternehmen sind heute in der Region erfolgreich. Aus Gegnern sind Geschäftspartner und vielfach Freunde geworden. Dass uns Angehörige von Staaten die Hand gereicht haben, gegen die Deutschland entsetzliche Kriege geführt hat, ist und bleibt ein Wunder. Für diese zweite Chance müssen wir diesen Ländern immer dankbar sein.

Umso mehr sollten wir allen weltwirtschaftlichen Entkoppelungstendenzen widerstehen. Decoupling bedeutet, dass multinationale Kooperationen stärker abnehmen, Allianzen bröckeln, wirtschaftliche Brücken zwischen Staaten und damit auch politisch unterschiedlichen Systemen zerstört werden. Wir müssen daher alles dafür tun, Mauern einzureißen, anstatt neue zu errichten. Viele aktuelle Herausforderungen wie der Klimawandel, die Sicherung der Welternährung oder die Digitalisierung Europas lassen sich nur mit starken Partnern meistern. Dabei sollten wir nicht nur nach Lateinamerika oder in den Indo-Pazifik schauen, sondern vor unserer eigenen Haustür anfangen und das Erfolgsmodell der wirtschaftlichen Integration Osteuropas weiter vorantreiben. Unsere Vision bleibt ein Wirtschafts- und Friedensraum von Lissabon bis Wladiwostok. Dies ist zugleich unser historischer Auftrag wie das Gebot vorauschauender Wirtschaftspolitik.

Ansprechpartner

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-122
C.Himmighoffen@oa-ev.de

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