Der deutsch-kasachische Handel hat sich in den vergangenen Jahren durchaus positiv entwickelt. Gemessen an den bilateralen Möglichkeiten und den geopolitischen Notwendigkeiten bleibt die Wirtschaftskooperation aber dramatisch hinter den bestehenden Potenzialen zurück. Dies verdeutlichte eine hervorragend besetzte Veranstaltung zur „Deutsch-Kasachischen Rohstoffkooperation“ am 12. April, zu der die kasachische Botschaft, die Technische Universität Bergakademie Freiberg und der Ost-Ausschuss gemeinsam in die Vertretung Sachsens in Berlin eingeladen hatten.
Die Zahlen, die Nurlan Onzhanov - kasachischer Botschafter in Berlin - in seinem konzentrierten Vortrag den 70 Interessierten vorstellte, dürften bis heute noch so manchem in den Ohren klingeln: Kasachstan – neuntgrößtes Land der Erde – verfügt aktuell über mehr als 8.000 Lagerstätten für mehr als 100 verschiedene Mineralien. Mit 5000 weiteren Lagerstätten dürfte bei entsprechender Exploration zu rechnen sein. Allein deren Gesamtwert schätzt Onzhanov auf 46 Billionen Dollar. Von 34 Mineralien, die die EU als kritische Rohstoffe identifiziert hat, bei denen sie laut dem gerade vorgestellten „Critical Raw Materials Act (CRMA)“ ihre Lieferstrukturen diversifizieren will, könnte Kasachstan aktuell bereits 16 liefern. Gleichzeitig gehört Kasachstan weltweit zu den acht Ländern mit dem größten Produktionspotenzial für grünen Wasserstoff.
Zwar ist das zentralasiatische Land nach Beginn des russischen Angriffskriegs bereits zum drittgrößten deutschen Erdöllieferanten aufgestiegen und sichert unter anderem die Produktion in der PCK-Raffinerie in Schwedt ab, doch abgesehen von Erdöl gehen die Lieferungen von wichtigen Rohstoffen aus Kasachstan nach Deutschland derzeit tendenziell sogar zurück. Besser machen es Länder wie Italien, Südkorea, die Niederlande oder die Türkei sowie die großen Nachbarn Russland und China. Sie liegen allesamt in der kasachischen Handelsstatistik vor der Bundesrepublik, obwohl die kasachische Regierung in Astana kaum eine Gelegenheit auslässt, um zu erläutern, wie sehr sie an deutschem Know-how und Investitionen interessiert ist und warum sie gerade der Zusammenarbeit mit Deutschland eine strategische Priorität in Europa einräumt. Einmal mehr warb Botschafter Onzhanov für „eine Partnerschaft auf Augenhöhe“, sprach von einer „Win-Win-Situation“ für beide Seiten und betonte, dass die Planungen seines Landes das europäische Lieferkettengesetz und europäische Umwelt- und Rechtsstandards vollständig berücksichtigen würden.
Der Ball liegt also im deutschen Feld. Aber bislang fehlen die Mitspieler. Entsprechend ernüchternd fiel die bisherige Bilanz der deutsch-kasachischen Rohstoffzusammenarbeit aus, die der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Grund, Susanne Szech-Koundouros, Unterabteilungsleiterin im Bundeswirtschaftsministerium, und Prof. Klaus-Dieter Barbknecht, Rektor der Uni Freiberg, in ihren Eingangsstatements zogen. Dabei ist anzuerkennen, dass die Politik in Bezug auf Kasachstan bereits einige Hausaufgaben gemacht hat und mit bilateralen Vereinbarungen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene klare Perspektiven aufzeigt.
Bereits 2012 schloss Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung des Ost-Ausschusses eine „Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich“ mit Kasachstan ab. Fast parallel wurde in Deutschland die Rohstoffagentur DERA im Zuständigkeitsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums ins Leben gerufen. Doch nach einem dramatischen Anstieg der Rohstoffpreise nach 2010 brachen diese wenige Jahre später ähnlich dramatisch wieder ein, was viele vielversprechende Projektideen offenbar unrentabel machte und den schnellen Todesstoß versetze.
Hinzu kommt ein gravierendes strukturelles Problem, das die anwesenden deutschen Experten am 12. April auch schonungslos diskutierten: Obwohl Deutschland als ressourcenarmes Land jährlich Rohstoffe im Wert von 200 Milliarden Euro auf dem Weltmarkt einkauft, davon etwa 50 Prozent Metallrohstoffe, gibt es hierzulande kaum noch Unternehmen, die sich mit Auslandsbergbau beschäftigen – eine Lücke, die sich zu einer ernsthaften Gefahr für den Standort Deutschland ausweiten könnte. Zumal die deutsche Großindustrie, die bei einzelnen Rohstoffen wie Silizium oder Platinkatalysatoren fast 50 Prozent der globalen Nachfrage ausmacht, offensichtlich keine wirkliche Strategie für eine vorausschauende und dauerhaft verlässliche Beschaffung besitzt.
In einer abschließenden Paneldiskussion, die Ost-Ausschuss-Regionaldirektor Eduard Kinsbruner moderierte, und die beinahe Workshop-Charakter hatte, wurden die bestehenden Probleme nicht nur schonungslos analysiert sondern auch Ideen zur Überwindung des gegenwärtigen Zustands diskutiert, die hoffentlich Folgen haben werden: Manfred Grundke, Sprecher für Zentralasien im Ost-Ausschuss, erinnerte an ein Modell, das die britische Regierung für die Förderung von Windkraftprojekten aufgelegt hat. Um Investoren einen Teil des Risikos bei Projekten zur Rohstoffförderung abzunehmen, könnte die Regierung diesen einen Fixpreis garantieren. Falle der Marktpreis unter diese Marke, müsste der Verlust staatlich ausgeglichen werden, steige der Preis umgekehrt über die vereinbarte Zielgröße, müsse das Unternehmen Einnahmen an den Staat abführen. Grundke rechnete vor, dass die angestrebte grüne Transformation und der Ausbau von E-Mobilität und Windkraft den Bedarf an mineralischen Rohstoffen wie Kupfer, Grafit, Kobalt oder Lithium gewaltig steigern werde. Die Förderländer zu diversifizieren, sei die eine Aufgabe, aber fast noch wichtiger sei es, die Verarbeitung der Rohstoffe zu diversifizieren. Aktuell habe China hier etwa bei Seltenen Erden einen Anteil von 90 Prozent.
Martin Wedig, Geschäftsführer der Fachvereinigung Auslandsbergbau und Internationale Rohstoffaktivitäten, regte die Gründung von deutsch-kasachischen Projektgesellschaften an, auch in Zusammenarbeit mit Ländern wie Australien. Ein Weg sei es, Unternehmen stärker zu poolen, um das finanzielle Risiko zu verringern. In Deutschland fehlten zwar große Rohstoffkonzerne, Projekt-Know-how sei aber weiterhin umfangreich vorhanden.
Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur DERA, nannte die Idee von deutsche Einkaufsgemeinschaften bzw. von festen Abnahmeverträgen für kritische Rohstoffe, die Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms und BDI-Hauptgeschäftsführungsmitglied Wolfgang Niedermark vorschlugen, durchaus interessant. Kartellrechtliche Fragen müssten beachtet werden, dennoch sei dies ein möglicher Ansatz. Gleichzeitig warb Buchholz dafür, in Lieferketten zur Rohstoffveredelung in Kasachstan zu investieren.
Uni-Rektor Barbknecht wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Kasachstan mit seiner jungen Bevölkerung gleichzeitig über ein großes Potenzial zur Gewinnung von Fachkräften verfüge, die in der Rohstoffverarbeitung dringend benötigte Arbeitsplätze finden könnten. Partnerschaften zur Ausbildung kasachischer Fachkräfte in Deutschland seien naheliegend. Es gehe jetzt darum, „nicht mehr lange zu reden, sondern endlich zu machen“.
Dass in den nächsten Jahren endlich über mehr deutsch-kasachische Erfolgsgeschichten zu berichten sein wird, diese Hoffnung weckte Dennis Schwindt, Vorstandsvorsitzender der HMS Bergbau AG. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin wandelt sich gerade vom Rohstoff-Händler zum Rohstoffförderer und hat sich an kasachischen Unternehmen beteiligt, um Förderprojekte für Metalle wie Kobalt und Nickel zu entwickeln. Schwindt lobte dabei die starke Unterstützung der kasachischen Behörden: „Wir erleben Rahmenbedingungen, die ich besser nicht vorfinden könnte.“ Wer sich von den Chancen für Kooperationen vor Ort selbst überzeugen möchte, der hat im Mai eine weitere Gelegenheit dazu: Vom 14. bis 16. Mai 2024 organisiert der Ost-Ausschuss eine Delegationsreise nach Kasachstan.
Andreas Metz,
Leiter Public Affairs im Ost-Ausschuss
Eduard Kinsbruner
Regionaldirektor Zentralasien
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