Direkt zum Inhalt

Krisenmodus in der Slowakei und Tschechien

AK-Sprecher Philipp Haußmann und Regionaldirektor Adrian Stadnicki bei der Online-Sitzung. Foto: OAOEV
18.03.2020
Videokonferenz des Arbeitskreises Mittelosteuropa / Sorge vor einer weiteren Welle von Protektionismus

Am 18. März traf sich der OAOEV-Arbeitskreis Mittelosteuropa anstelle seiner regulären Sitzung in Berlin zu einer gemeinsamen zweistündigen Videokonferenz unter Leitung von Philipp Haußmann, dem Länderkreissprecher Mittelosteuropa des OAOEV. Themenschwerpunkte waren die Auswirkungen des Corona-Virus auf die Wirtschaft in Tschechien und der Slowakei sowie das Programm der gerade neu vereidigten slowakischen Regierung.

Mit ihren Berichten aus Bratislava und Prag informierten René Harun, Mitglied der Geschäftsführung der Deutsch-Tschechischen Industrie und Handelskammer in Prag, sowie Peter Kompalla, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Slowakischen Industrie und Handelskammer in Bratislava, rund 25 zugeschaltete Mitglieder des Länderkreises mit aktuellen Eindrücken. Beide berichteten von weitreichenden Maßnahmen der jeweiligen Regierungen gegen die Verbreitung des Virus.

So herrscht in der Slowakei bereits seit dem 16. März eine strikte Ausgangssperre, gegen Verstöße werden hohe Strafen ausgesprochen. Tschechien hat neben einer 30-tägigen Ausgangssperre bereits die Pflicht eingeführt, in der Öffentlichkeit Atemmasken zu tragen. Reisende, die über die tschechische Grenze einreisen wollen, unterstehen einer 14-tägigen gesetzlichen Quarantäne. Ausnahmen gelten für den Warenverkehr mit gültigem Lieferschein sowie für Pendler aus den grenznahen tschechischen Gebieten nach Bayern. Diese dürfen sich in einem Gebiet von maximal 100 Kilometer jenseits der bayerischen Grenze bewegen. Die Überwachung erfolgt durch die Auswertung von Handydaten. Bei Verstößen droht auch Pendlern bei der Rückkehr eine 14-tägige Quarantäne.

Automobilindustrie wird vor große Herausforderungen gestellt

Sowohl Tschechien als auch die Slowakei zählten in den vergangenen Jahren zu den attraktivsten Investitionsstandorten in der EU und sind intensiv in internationale Lieferketten eingebunden. Nicht zuletzt sorgte die enge Verflechtung mit der deutschen Automobilindustrie für starkes Wachstum. Tschechien hatte zuletzt die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU. Beide Länder werden jetzt durch den von VW aufgrund der Corona-Krise inzwischen umgesetzten Produktionsstopp bei der VW-Tochter Skoda in Tschechien und der VW-Produktion in Bratislava vor enorme Herausforderungen gestellt. Waren zuletzt die fehlenden Facharbeiter das größte Investitionsproblem, so dürfte sich dieses durch die Krise jetzt deutlich verändern. Tausenden Arbeitnehmern in der Automobilindustrie sowie im Tourismus und Gaststättengewerbe droht bereits Kurzarbeit.

Blitzumfragen der beiden Auslandshandelskammern zeigen bereits einen massiven negativen Stimmungsumschwung unter den AHK-Mitgliedern. Es gibt aber auch die Hoffnung, dass Mittelosteuropa von einer Relokalisierung von Produktion aus China nach Europa profitieren könnte. Schließlich gehöre es zu den bisherigen Lehren aus der Corona-Krise, dass Lieferketten über lange Distanzen in besonderen Situationen leicht zu Lieferunterbrechungen und damit kostspieligen Produktionsausfällen führen können. Im Falle von dringend benötigten Gütern wie Medikamenten sei zudem mit strengeren Vorgaben der EU zu rechnen, diese Produktion wieder in Europa anzusiedeln.

Die Eindrücke der beiden Experten wurden durch Berichte der Referenten aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium ergänzt. Diese kündigten einen engen Austausch mit den Unternehmen sowie mit ihren tschechischen und slowakischen Kollegen an, um die durch die Corona-Krise neu aufgeworfenen Probleme in den Griff zu bekommen.

Höchste Priorität hat dabei die Verringerung der Wartezeiten an den Grenzen, wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte. So schlugen Unternehmensvertreter eigene Abfertigungsspuren für den Warenverkehr vor, um insbesondere leicht verderbliche Ware schnell über die Grenze zu bekommen. Unsicherheit im Umgang mit den neuen Regeln habe zudem dazu geführt, dass Fahrer aus Tschechien und der Slowakei kaum noch bereit seien, nach Westen über die Grenze zu fahren, aus Angst bei der Rückkehr der 14-tägigen gesetzlichen Quarantäne zu unterstehen Umgekehrt habe die deutsche Ankündigung, ein Exportverbot für Schutzkleidung auszusprechen, für massiven Unmut in den EU-Nachbarländern gesorgt. In Deutschland sei man dabei, eine EU-einheitliche Regelung zu finden.

Sorge vor einer weiteren Welle von Protektionismus

Zu den Sorgen, die in der Diskussion laut wurden, gehörte insbesondere auch die Angst, das Corona-Virus könne eine weitere Welle von Protektionismus in der Region in einzelnen Sektoren auslösen. So befürchten deutsche Investoren in den Ländern, dass von den bereits angekündigten Rettungspaketen am Ende primär nationale Unternehmen profitieren könnten. In diesem Zusammenhang wurde von Firmen auch an die Versuche in der Region erinnert, deutsche Investoren in vereinzelten Branchen mit Sonderauflagen bzw. Sonderabgaben zu belegen.

Die neue slowakische Regierung gelte allgemein als europafreundlich und liberal, sei bislang in der Wirtschaftspolitik aber noch wenig profiliert. Positiv sei allerdings, dass der neue Wirtschaftsminister in Deutschland ausgebildet worden sei und einen engen Austausch mit den deutschen Unternehmen vor Ort suche.

Abschließend boten die Vertreter der Bundesministerien den Arbeitskreismitgliedern eine enge Abstimmung in der Krise an. Panik zu vermeiden, Ruhe zu bewahren, Informationen bestmöglich und schnell auszutauschen und daraus dann vernünftige Schlüsse abzuleiten, dies sei das Gebot der Stunde. Bitte wenden Sie sich zu diesem Thema und für alle anderen Fragen, die sich im wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und den mittelosteuropäischen Staaten ergeben an den OAOEV-Regionaldirektor Adrian Stadnicki.

Andreas Metz
Leiter Presse und Kommunikation im OAOEV

Ansprechpartner

Adrian Stadnicki
Regionaldirektor Mittelosteuropa
Tel.: 030 206167-138
A.Stadnicki@bdi.eu

Diese Seite teilen: