Direkt zum Inhalt

Lässt sich der Weiterbau von Nord Stream 2 verbieten, Herr Hermes?

Foto: Axel Schmidt
07.09.2020
Hintergründe zum Pipeline-Projekt Nord Stream 2/ Fragen an den Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Oliver Hermes

Was würde ein Ausstieg aus Nord Stream 2 für die beteiligten Unternehmen und die deutsche Gasversorgung bedeuten? 

Hermes: Für Nord Stream 2 selbst wurden von europäischen Unternehmen die Hälfte der acht Milliarden Euro Baukosten bereitgestellt, die notwendige Anschlusspipeline durch Ostdeutschland nach Tschechien kostete weitere vier Milliarden Euro. Beide Pipelines sind nahezu fertig. Wer sich etwas näher mit der Thematik beschäftig, der versteht also, dass es hier nicht um ein russisches Projekt in Deutschland geht, sondern um ein europäisches Projekt. Bereits die Förderung des Erdgases in Sibirien erfolgt mit Beteiligung westlicher Unternehmen. Ein Totalverlust beider Pipeline-Investitionen könnte für einzelne europäische Unternehmen zu Schäden in Milliardenhöhe führen und würde Arbeitsplätze vor allem in Ostdeutschland kosten.

Eine weitere, noch höhere Belastung würde durch den Ausfall der erhofften Erdgaslieferungen entstehen: Die Frage ist dann, aus welchen Quellen das benötigte Gas alternativ käme, um in Deutschland den Ausstieg aus Kohle und Kernenergie und den angestrebten Übergang ins Nicht-Fossile-Zeitalter zu überbrücken? Mögliche Alternativen wären Fracking-Gas aus den USA, Flüssiggas aus Russland und Katar, oder weiteres Pipelinegas aus Algerien, Libyen, Aserbaidschan. Das Gasangebot auf dem Markt wäre aber in jedem Fall geringer, als erhofft, die Preise wären für Erdgaskunden höher. Auch hier geht es pro Jahr um Milliardenbeträge, die dann vor allem europäische Verbraucher zu zahlen hätten. 

Auf welche Weise könnte die Bundesregierung das Projekt stoppen? Könnte die Wirtschaft dann Schadensersatz fordern? 

Hermes: Das Projekt wurde von allen zuständigen Stellen in der EU, darunter nationale Behörden in Deutschland, Schweden, Dänemark und Finnland genehmigt. Welche Schadensersatzansprüche sich aus einem möglichen Verbot der Fertigstellung ergeben würden, lässt sich aktuell nicht sagen und müsste dann im Falle eines Falles vor Gericht geklärt werden. Zunächst einmal gilt jedenfalls der rechtskräftige Planfeststellungsbeschluss.

Wir sehen auch nicht, dass diese Genehmigung rückwirkend in Frage gestellt werden kann, denn das würde ja bedeuten, dass laufende Projekte nach politischer Großwetterlage an- und abgeschaltet werden könnten. Für das Image der EU und Deutschlands als bislang sicherer Investitionsstandort würde dies eine erhebliche Belastung bedeuten. Eine ähnliche Belastung würde entstehen, wenn am Ende extraterritoriale US-Sanktionen zum Abbruch des Projektes Nord Stream 2 führen würden. Auch dann könnte die EU im Zweifelsfall nicht mehr als Investitionsstandort gelten, der Unternehmen rechtlich schützt. 

Wieviel haben deutsche Firmen bisher investiert?

Hermes: Als Finanzinvestoren haben die beiden deutschen Unternehmen Wintershall Dea und Uniper je 950 Millionen Euro an Krediten zu dem Projekt beigetragen. Beiträge in ähnlicher Höhe kamen auch von österreichischen, französischen und einem britisch-niederländischen Unternehmen, insgesamt also knapp 5 Milliarden Euro. Diese Gelder sind zum Bau der Pipeline bereits vollständig an Nord Stream 2 geflossen. Investitionen in Höhe von 700 Millionen Euro müssten nach unserem Kenntnisstand noch zur endgültigen Fertigstellung der Pipeline aufgewendet werden. Hier handelt es sich um Aufträge für insgesamt rund 120 Unternehmen aus 12 europäischen Ländern. Diese Aufträge wären durch eine politische Sanktionierung des Projektes dann gefährdet.

Ansprechpartner

Andreas Metz
Leiter Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-120
A.Metz@bdi.eu

Diese Seite teilen: