Am 12. April begrüßte der Ost-Ausschuss über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Briefing mit den deutschen Botschaftern in Armenien, Viktor Richter, Georgien, Hubert Knirsch sowie dem Geschäftsträger in der Deutschen Botschaft in Moldau, Ullrich Kinne, die über die aktuelle politische Situation und Auswirkungen des Krieges in der Ukraine berichteten. Ricardo Giucci, Leiter des German Economic Team (GET), stellte die neuen Prognosen für 2022 nach dem Ausbruch des Krieges vor. Anschließend gab es weitere Einschätzungen vom Deutschen Wirtschaftsverband in Armenien, von der Deutschen Wirtschaftsvereinigung Georgien sowie Moldaus deutschsprachigem Wirtschaftsverband.
Neben den ökonomischen Folgen für Moldau, Armenien und Georgien hat das GET auch die Auswirkungen der westlichen Sanktionen gegen Russland untersucht und erwartet ein um zehn Prozent geringeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) und eine Inflationsrate in Höhe von 20 Prozent in Russland. „Die Welle der Sanktionen wird für enorme Verschlechterungen im Handel, bei der Logistik sowie bei ausländischen Investitionen sorgen“, so Giucci.
Für die Republik Moldau hob Ullrich Kinne, Geschäftsträger in der Deutschen Botschaft in Chisinau, hervor, dass bisher etwa 400.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in das Nachbarland geflüchtet seien. Das Land trage damit - pro Kopf betrachtet - die Hauptlast der Flüchtlingswelle. Wirtschaftlich und sozial schwierig sind starke Preissteigerungen insbesondere im Lebensmittel- und Energiebereich, die zu einer Inflation von aktuell rund 20 Prozent geführt haben. Für die Republik Moldau prognostiziert das GET ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent für das Jahr 2022. Durch den wegbrechenden russischen Markt ist ein Exportrückgang in Höhe von 1,6 Prozent des BIP zu erwarten. Im Rahmen einer internationalen Geberkonferenz sind am 4. April Zusagen über Kredite und Zuschüsse in Höhe von 640 Millionen Euro für das Land eingeworben worden, um die Kriegsfolgen abzumildern.
Perspektivisch will Moldau die Verbindungen mit der EU stärken und den Zugang zum europäischen Markt verbessern. Ob das Land vom Zufluss russischer oder ukrainischer IT-Spezialisten profitieren könne, ist nach Angaben der deutschsprachigen Wirtschaftsvereinigung Moldaus unklar. Diese würde es eher nach Kasachstan oder Armenien ziehen. Dennoch bestehen Chancen in der Zulieferindustrie oder durch höhere Agrarexporte, die vermehrt nach Westeuropa geliefert werden sollen.
Mit Hubert Knirsch unterstrich der deutsche Botschafter in Georgien, dass der Krieg auch spürbare Auswirkungen auf Georgiens Wirtschaft zeige. Vor allem der Export und Tourismus seien von den Sanktionen gegen Russland betroffen. Gleichzeitig erlebt Georgien einen Zustrom russischer IT-Spezialisten. Diese sähen ihren Aufenthalt in Georgien aber noch als temporär an und könnten nicht als wirklich als Arbeitsmigranten betrachtet werden. Ob die georgische Wirtschaft davon mittelfristig profitieren kann, sei noch nicht klar.
Mit Blick auf die Rolle Georgiens bei der Substituierung von Logistikrouten kann das Land aus geografischen Erwägungen heraus eine Rolle spielen. Die Teilnehmer waren sich jedoch darüber einig, dass die Kapazitäten nicht ausreichend seien, um mögliche Ausfälle der nördlichen Transportroute durch Russland adäquat kompensieren zu können.
Das German Economic Team erwartet für 2022 ein BIP-Wachstum von 3,5 Prozent. Unklar sei jedoch, wie sich der für die georgische Volkswirtschaft bedeutsame Tourismus entwickeln werde. Der georgische Export werde sich im Jahr 2022 um 0,4 Prozent des BIP verringern. Trotz gestiegener Unsicherheiten erwartet das GET für Georgien einen nur limitierten wirtschaftlichen Schock im Zuge des russischen Kriegs in der Ukraine.
Der deutsche Botschafter in Armenien, Viktor Richter, beschreibt die politische und wirtschaftliche Situation im Land als vorerst stabil. Am ehesten spüre Armenien die Kriegsfolgen durch ausbleibende Rücküberweisungen aus Russland. Mit Blick auf laufende Verhandlungen mit Aserbaidschan und der Türkei, in Folge derer das politische und wirtschaftliche Verhältnis zu beiden Ländern verbessert werden soll, seien stabilisierende Ansätze in einem unsicheren Umfeld auszumachen. Chancen sieht Meri Navasardyan, die Geschäftsführerin des Deutschen Wirtschaftsverbandes in Armenien, insbesondere im IT-Sektor, da sich viele IT-Spezialisten aus Russland nach Armenien orientieren würden. Auch registriert Armenien die Eröffnung zahlreicher neuer Unternehmen, die aus Russland abwandern oder ein zweites Standbein im Land eröffnen würden.
Das armenische BIP solle nach Angaben des German Economic Teams im Jahr 2022 um 1,6 Prozent wachsen. Exporte werden erheblichen zurückgehen. Der Rückgang werde rund 1,6 Prozent des BIPs für 2022 entsprechen. Mit minus 2,8 Prozent des BIP wird die Summe der Rücküberweisungen noch signifikanter zurückgehen. Mit Blick auf die Energieversorgung bestehen eher geringe Risiken, da der armenische Liefervertrag mit Gazprom nicht in Frage steht. Armeniens Volkswirtschaft werde vor allem auf Grund der abnehmenden Rücküberweisungen sowie zurückgehender Exporte langsamer wachsen.
Die Präsentation des German Economic Team steht als Download (PDF) zur Verfügung.
Oliver Lehmann, Stefan Kägebein, Regionaldirektion Osteuropa
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