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Usbekistan auf neuem Kurs

Vize-Premier Kholmuradov warb für das Engagement der deutschen Wirtschaft. Foto: A. Metz
14.01.2019
Industrielle Basis bietet große Chancen für deutsche Unternehmen/ Deutsch-Usbekisches Business-Forum mit Vize-Premier Kholmuradov in Berlin

Wenige Tage vor dem ersten Deutschland-Besuch von Präsident Mirzijojew kamen am 14. Januar rund 300 Wirtschaftsvertreter zum Deutsch-Usbekischen Business Forum in die European School for Management and Technology (ESMT) in Berlin. Organisiert wurde das Forum vom OAOEV gemeinsam mit der usbekischen Investitionsagentur und der usbekischen Botschaft. Der große Andrang dokumentierte eindrucksvoll das große Interesse an dem zentralasiatischen Land, das seit Ende 2016 einen umfassenden Reformkurs eingeschlagen hat.

Industrielle Tradition

OAOEV-Präsidiumsmitglied Klaus Mangold bot Usbekistan in seiner Eröffnungsrede die Unterstützung der deutschen Wirtschaft für seinen Reform- und Modernisierungskurs an. Ein „wichtiger Schritt“ sei dabei die angestrebte Mitgliedschaft in der WTO, die „gesicherte Rahmenbedingungen“ schaffen werde. Bei ihrem Kurs der Entbürokratisierung, Privatisierung und Industrieentwicklung rücke die Regierung die gesamte industrielle Wertschöpfungskette in den Mittelpunkt. „Usbekistan hat eine industrielle Tradition, anders als die Nachbarn“, sagte Mangold. Die Mitte Januar in Kraft getretene Visafreiheit werde auch dem Tourismus weiteren Schwung geben. Mangold betonte insbesondere die durch Usbekistans Öffnung angestoßene neue Dynamik in der Region, zu der auch Afghanistan als potenzieller Zukunftsmarkt gehöre. „Bemerkenswert ist, dass es kein Konkurrenzdenken zwischen Kasachstan und Usbekistan gibt“, lobte das OAOEV-Präsidiumsmitglied und begrüßte die geplante neue Zentralasienstrategie der EU, die „unverzichtbar“ sei, um die Position der europäischen Unternehmen in der Region zu stärken.

„Der Modernisierungsschub eröffnet deutschen Unternehmen viele Möglichkeiten und hat große Erwartungen geweckt“, sagte Eckhard Franz, Leiter der Abteilung Außenwirtschaftspolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), der auf das Fortbildungsprogramm der Bundesregierung für usbekische Manager und die unbegrenzte Absicherung von Usbekistan-Geschäften durch Euler Hermes als praktische Unterstützung durch die Bundesregierung hinwies.

Viele Reformen zur gleichen Zeit

Der stellvertretende Premierminister Suhrob Kholmuradov warb für das Engagement der deutschen Wirtschaft in seinem Land und unterstrich die Absicht der Regierung, den Reformkurs fortzusetzen: „Ich versichere den deutschen Unternehmen, das Usbekistan zur freien Marktwirtschaft steht“, sagte der Vize-Premier und zitierte das Bonmot von Helmut Schmidt, wonach Märkte wie Fallschirme seien, die nur geöffnet funktionierten. Kholmuradov wies auf die Veränderungen in seinem Land hin, darunter eine Währungsreform, die Handelsliberalisierung, vereinfachte Regulierungen, die Einführung eines Ombudsmanns für Unternehmen, die Landprivatisierung, die Visa-Freiheit für 50 Länder, darunter Deutschland, sowie ein E-Government-System. „Bemerkenswert ist, dass alle diese Reformen zur gleichen Zeit passieren“, sagte Kholmuradov: „Sie schaffen Möglichkeiten für unsere ausländischen Partner und Investoren, und die Implementierung unserer Pläne und Projekte wird zum gegenseitigen Nutzen für alle sein.“

Viel Lob für Usbekistans neuen Kurs gab es anschließend auch von Jürgen Rigterink, dem ersten Vizepräsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD): „Die Weite des Reformprozesses hat selbst langjährige Beobachter überrascht“, sagte er. Beim notwendigen Rückzug des Staates aus den Unternehmen sein ein „wichtiger Anfang gemacht“. Auch internationale Ratingagenturen wie Fitch hätten ihr Rating inzwischen angehoben. Die EBRD erwarte für 2019 ein Wachstum von 4,5 Prozent. Auf der Sollseite stünden die hohe Inflation und die Abhängigkeit des Landes von Rohstoffen.

Weniger Staat, mehr Markt

Im anschließenden Panel, das von Klaus Mangold moderiert wurde, diskutierten deutsche und usbekische Wirtschaftsvertreter über die Reformen und die Perspektiven der bilateralen Beziehungen. Laziz Kudratov von der usbekischen Investitionsagentur unterstrich, dass es erklärtes Ziel der Regierung sei, den staatlichen Einfluss in der Wirtschaft zu reduzieren und auf ausländische Investoren zu setzen. Holger Kautzky von der Commerzbank wies auf die nach wie vor dominierende Rolle des Staates im Bankensektor hin. Derzeit gebe es nur zwei Privatbanken unter den Top Ten.

Große deutsche Unternehmen wie Siemens sind in Usbekistan längst aktiv. Usbekistan sollte aber nicht nur auf große Unternehmen und Projekte setzen: „Kleine, schnell umzusetzende Projekte sind oft besser als große, über die lange verhandelt werden muss,“ sagte Alexander Liberov, Präsident und CEO von Siemens Russland und Zentralasien. Zu den größeren Mittelständlern auf dem usbekischen Markt gehört der Baustoffhersteller Knauf, der 90 Millionen Euro in zwei Werke in Buchara investiert hat und ein weiteres Werk in Fergana plant, um die regionalen Exportmöglichkeiten zu nutzen. Knauf profitiere von den Reformen wie dem Eigentumsrecht an Grund und Boden, das am 1. Juli in Kraft tritt, berichtete Alexander Blumhardt, Executive Manager der Knauf Gruppe für die GUS.

Wachstumstreiber Industrie und Export

Das Abschlusspanel drehte sich um die Rolle von Industrie und Exporten als Wachstumstreiber. Der usbekische Außenhandelsminister Jamshid Khodjaev setzt hier auf die Erfahrungen Deutschlands als Exportweltmeister. Durch den Ausbau der Transportwege wolle man Usbekistan von einem „Double landlocked country“ zu einem „Double linked-in country“ machen. „Es ist klarer Auftrag der Regierung, Investitionen aus dem Ausland zu erleichtern,“, sagte Florian Schneider von der Kanzlei Dentons Europe. Dazu gebe es eine einfache Unternehmensregistrierung, die Anerkennung internationaler Schiedsgerichte, die Möglichkeit, Joint Venture zu gründen, und den Schutz geistigen Eigentums im Rahmen internationaler Abkommen.

Auf die Bedeutung langfristig verlässlicher Rahmenbedingungen für die Industrie machte Philip Severin von Linde aufmerksam, insbesondere bei Projekten mit langer Laufzeit. „Die Öffnung des Landes ist ein wichtiger Anreiz für Linde“, sagte er: „Ziel ist es, lokal zu produzieren.“ Usbekistan ist das einzige Land Zentralasiens mit einer eigenen Autoindustrie. MAN Truck & Bus produziert dort seit 2009 Lkw und Busse für den lokalen und regionalen Markt. Aufgrund der begrenzten Marktgröße im Lkw-Bereich gebe es allerdings keine vollwertige Zulieferindustrie, berichtete Richard von Braunschweig von MAN Truck & Bus. Die starke chinesische Konkurrenz im Markt bekommt das deutsche Bauunternehmen Papenburg AG zu spüren, das ein Joint Venture zum Bau von Autobahnen gegründet hat. „Wir bilden dort aus, die Chinesen bringen ihre Leute mit“, warb Geschäftsführer Günter Papenburg für deutsche Unternehmen.

Mehr als ein Dutzend Vereinbarungen

Im Rahmen des Forums wurden mehr als ein Dutzend Vereinbarungen zwischen deutschen und usbekischen Unternehmen und Organisationen im Gesamtwert von mehr als vier Milliarden US-Dollar unterzeichnet, unter anderem von ThyssenKrupp Uhde, Linde, Siemens und Knauf. Mehrere deutsche Banken, darunter die Commerzbank, die KfW und die LBBW vereinbarten Kreditlinien für usbekische Geschäftsbanken zur Finanzierung von Projekten in Usbekistan. Die Vereinbarungen eröffnen privaten usbekischen Unternehmen den Zugang zu Krediten deutscher Banken für den Kauf deutscher Technologien und Ausrüstungen.

Mit über 30 Millionen Einwohnern ist Usbekistan mit Abstand das bevölkerungsreichste Land in Zentralasien, entsprechend vielversprechend ist der Markt. Unter den 29 Ländern, die der OAOEV betreut, belegt Usbekistan hinter Russland, der Ukraine und Polen bei der Einwohnerzahl den vierten Platz. Zwar ist Usbekistan nach Kasachstan der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands in Zentralasien. Aber bei einem aktuellen Handelsvolumen von knapp 650 Millionen Euro ist noch viel Luft nach oben. Der Handel mit dem benachbarten Kasachstan ist etwa achtmal so groß. Im vergangenen Jahr ist der deutsch-usbekische Handel aber nach derzeitigem Stand um über 15 Prozent gewachsen.

Gewaltiges Interesse

Das Interesse der deutschen Wirtschaft ist jedenfalls gewaltig, wie die große Teilnehmerzahl in Berlin dokumentierte. Der OAOEV hat seine Usbekistan-Aktivitäten entsprechend intensiviert: Bereits im Mai 2018 war der OAOEV mit einer fast 70-köpfigen Unternehmerdelegation in Taschkent. Als eines der Resultate wurde im Dezember ein neues deutsch-usbekisches Praktikantenprogramm aufgelegt. Dazu haben die OAOEV-Mitgliedsunternehmen in einem ersten Schritt rund 30 Praktikantenplätze für usbekische Studenten zur Verfügung gestellt. Im Herbst ist eine weitere Delegationsreise nach Usbekistan geplant. Das Land gewinne an Profil und Dynamik, sagte OAOEV-Präsidiumsmitglied Klaus Mangold zur Eröffnung des Forums, nun komme es darauf an, „das große Interesse in praktisches Geschäft umzumünzen.“

Christian Himmighoffen
Referent für Presse und Kommunikation im OAOEV

Ansprechpartner

Eduard Kinsbruner
Regionaldirektor Zentralasien
Tel.: 030 206167-114
E.Kinsbruner@bdi.eu

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