Im Juli 2017 jährt sich zum dritten Mal die Einführung von EU-Sanktionen gegen die russische Öl-, Rüstungs- und Finanzindustrie in Folge des Krieges in der Ost-Ukraine, die Russland mit einem Importverbot für landwirtschaftliche Produkte aus der EU beantwortet hatte. Angesichts des Jahrestags und aktueller Pläne des US-Senats für eine Ausweitung der Sanktionen, legt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ein Positionspapier vor, das die bisherigen Folgen für die deutsche und europäische Wirtschaft bilanziert und sich für eine schrittweise Überwindung der Wirtschaftssanktionen ausspricht.„Die Belastungen für die Wirtschaft in ganz Europa einschließlich Russlands durch die Sanktionen liegen nach drei Jahren bei einem sehr hohen zwei-stelligen Milliardenbetrag – mindestens“, kommentierte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Wolfgang Büchele die Ergebnisse. Neben dem Verbot bestimmter Export- und Finanzgeschäfte hätten die Sanktionen eine erhebliche und schwer bezifferbare psychologische Wirkung entfaltet: „Die Verunsicherung der Unternehmen und Konsumenten über die weitere Entwicklung führte zu Investitions- und Kaufzurückhaltung. Geschäftspartner orientierten sich auf andere Märkte und Partner um, der Tourismus brach stark ein.“
Inzwischen hätte die psychologische Wirkung der Sanktionen aber nachgelassen. „Der Schaden ist eingetreten, die Lage ist weiter unbefriedigend aber zumindest stabil. Die Unternehmen versuchen aus den Bedingungen das Beste zu machen und besinnen sich auf die großen Chancen, die mit einer europäisch-russischen Zusammenarbeit verbunden sind.“ Seit August 2016 erhole sich der EU-Russland-Handel wieder. So habe es in den ersten vier Monaten 2017 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 27 Prozent bei den deutschen Exporten nach Russland und von 34 Prozent bei den deutschen Importen aus Russland gegeben.
Keine Verstöße deutscher Unternehmen
Obwohl sie keinerlei Verantwortung für die Krise trügen, hätten sich in den vergangenen drei Jahren tausende deutscher Unternehmen mit hohem administrativem Aufwand an die Sanktionen angepasst. „Bis heute ist in Deutschland kein eindeutiger Fall einer regelwidrigen Umgehung von EU-Sanktionsbestimmungen durch Unternehmen aktenkundig geworden“, betonte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende. Vor allem ostdeutsche, mittelständische Betriebe mit traditionell guten Russlandkontakten gehörten zu den Leidtragenden der Krise.
Büchele rief die Politik dazu auf, die Wirtschaftssanktionen und ihre Ergebnisse insgesamt nüchtern zu analysieren und Alternativen offen zu diskutieren. „Wirtschaftsbeziehungen sollten nicht politisch instrumentalisiert wer-den. Gerade das exportabhängige Deutschland gerät auf die Verliererstraße, wenn Sanktionen zu einem Allheilmittel der Politik werden.“
US-Senat verfolgt wirtschaftliche Interessen
Als völlig inakzeptabel bezeichnete der Ost-Ausschuss-Vorsitzende aktuelle Pläne des US-Senats, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland auszuweiten und dabei auch Projekte europäischer Unternehmen mit russischen Partnern zu sanktionieren. „Die exterritoriale Anwendung von US-Wirtschaftssanktionen ist eine Gefahr für die Weltwirtschaft. Mit solchen Ideen wird leicht eine Lawine des Protektionismus ausgelöst, die den freien Han¬del unter sich begräbt.“
Positiv kommentiert Büchele die klare Ablehnung der US-Pläne durch die Bundesregierung. „Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin und der Bundes-außenminister dieses Spiel, bei dem es eindeutig um amerikanische Wirtschaftsinteressen auf Kosten europäischer Arbeitsplätze geht, nicht mitmachen. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren viel geleistet und zu einer Kontrolle des Ukraine-Konfliktes beigetragen. Diese Anstrengungen würden durch neue US-Sanktionen in Frage gestellt“, so Büchele. „Statt neuerlicher Eskalation brauchen wir den Willen auf allen Seiten zur Deeskalation und zu Lösungen am Verhandlungstisch. Der bevorstehende G20-Gipfel in Hamburg, an dem sowohl die USA als auch Russland teilnehmen, bietet eine vielleicht einmalige Chance, dem Friedensprozess neuen Schwung zu geben.“
Büchele lobte in diesem Zusammenhang die Rolle der OSZE bei der Befriedung der Ost-Ukraine. Diese hatte in der vergangenen Woche einen erneuten Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien ausgehandelt. „Es muss jetzt darüber hinaus gelingen, das Minsker Friedensabkommen schrittweise umzusetzen. Vor allem Russland trägt hier die Verantwortung zu deeskalieren und einen echten Waffenstillstand durchzusetzen. Für nachhaltige Fortschritte sollte der Westen dann aber auch eine eindeutige Willensbekundung zur Aufhebung erster Sanktionen abgeben.“ Erste Schritte der EU und Deutschlands könnten nach Ansicht des Ost-Ausschusses die Aufhebung der faktischen Betätigungsverbote für die Osteuropabank (EBRD) und die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Russland sein. Beide Institutionen hatten vor allem den russischen Mittelstand unterstützt und damit gerade zu einer marktwirtschaftlichen Modernisierung des stark staatswirtschaftlich geprägten Russlands beigetragen.
Das 20-seitige Positionspapier des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft mit dem Titel „Schrittweise aus der Krise - Eine Bilanz des Ost-Ausschusses nach drei Jahren europäisch-russischer Wirtschaftssanktionen“ ist links als Download verfügbar.
Andreas Metz
Tel: 030 2020-1441
A.Metz@bdi.eu
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