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Erfolgsgeschichte für Europa

Auslieferung der ersten Röhren für den Pipelinebau im Sommer 1970; Foto: Ost-Ausschuss (Archiv)
31.01.2020
50 Jahre Erdgas-Röhren-Vertrag/ Am 1. Februar 1970 wurde der Grundstein für die deutsch-sowjetische Energiepartnerschaft gelegt

Anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung des ersten Erdgas-Röhren-Vertrages zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion erinnert der Ost Ausschuss – Osteuropaverein an die Bedeutung des Projektes für die deutsche Wirtschaft und die Zusammenarbeit in Europa. „Wir sind als Verband ein wenig stolz auf dieses Datum, denn an den Vorbereitungen war auch der Ost-Ausschuss beteiligt“, sagte der Verbands-Vorsitzende Oliver Hermes.
 
„Bereits damals und bei jedem weiteren Pipelinevorhaben standen amerikanische Wirtschaftssanktionen im Raum. Wenn es nach den US-Amerikanern gegangen wäre, dann wären weder die Pipeline durch Polen noch die Pipelines durch die Ukraine und die Slowakei Richtung Bayern jemals mit deutscher Hilfe gebaut worden“, so Hermes weiter. „Die Transitgebühren, über die sich die genannten Länder heute freuen, gäbe es nicht, wenn es keine mutigen und beharrlichen deutschen Investoren und Politiker gegeben hätte.“

Bezüglich des aktuellen Pipeline-Projekts Nord Stream 2 forderte Hermes die Europäische Union dazu auf, sich gegen Sanktionen gegen europäische Unternehmen zu wehren. „Allen Europäern muss klar sein: Wenn wir auf derartige exterritoriale Sanktionen keine wirksame Antwort finden, wird die europäische Wirtschaft zum Spielball von Amerikanern und Chinesen.“ Ohne Nord Stream 2 ließen sich ehrgeizige Klimaschutzziele in Deutschland kurz- und mittelfristig nicht erreichen, betonte Hermes.

Für eine weitere Versorgung der europäischen Industrie und Haushalte mit russischem Erdgas spricht sich auch Mario Mehren, Sprecher des Arbeitskreises Russland im Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft und CEO von Wintershall Dea aus. „Ohne Russland gibt es für Deutschland und Europa auch heute keine Energiesicherheit“, schreibt Mehren anlässlich des Jubiläums des Erdgas-Röhren-Vertrags in einem Gastbeitrag für das Magazin Osteuropa-Informationen.

„Es ist gut für Europa, dass wir bei Bedarf Flüssiggas aus den USA oder Katar beziehen können. Aber wir sind in der glücklichen Lage, darauf nicht angewiesen zu sein. Denn wir haben, neben der eigenen Gasförderung in der EU, mit Norwegen und Russland große Produzenten in Pipelinedistanz“, so Mehren. Dank Pipelinegas genieße Europa ein recht niedriges Gaspreisniveau: „Das ist ein Trumpf, von dem die Verbraucher tagtäglich profitierten, und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie.

Historische Unterschrift im Hotel Kaiserhof

Einen Vertrag, der es in sich hat, unterzeichnen am 1. Februar 1970 westdeutsche Firmen und Banken im Essener Hotel Kaiserhof mit der Sowjetregierung: Die deutsche Seite sagt zu, über eine Million Tonnen Großröhren für den Erdgastransport zu bauen. Moskau verpflichtet sich im Gegenzug, jährlich drei Milliarden Kubikmeter Gas zu liefern. Dieses Erdgas-gegen-Röhren-Geschäft legt den Grundstein für die Energiepartnerschaft zwischen West und Ost, aber auch für politischen Streit. Und beides hält bis heute an.

Ein geistiger Vater des damaligen Wirtschaftsdeals ist Bundeskanzler Willy Brandt. Der Vertrag bedeutet kalkuliertes Tauwetter. Der Unterzeichnung des Erdgas-Röhren-Geschäftes (1. Februar 1970) mit der Sowjetunion folgt eine Serie von Ostverträgen der Sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt. In den USA wird dieser Ansatz mit Skepsis verfolgt. Die Bundesregierung hält jedoch an ihrem Kurs fest. 1982 eskaliert dann der Streit. Die prominentesten Protagonisten: Helmut Schmidt und Ronald Reagan. Nach dem Erfolg der ersten Erdgas-Röhrengeschäfte soll mit einer Pipeline von Sibirien nach Westeuropa durch Polen eine weitere Verbindung geschaffen werden. Deutschland liefert Rohre und Kompressoren im Wert von 20 Milliarden D-Mark und die Sowjetunion liefert im Gegenzug jährlich 40 Milliarden Kubikmeter Gas.

Die USA protestieren abermals vehement. Die Reagan-Administration untersagt amerikanischen Firmen, ihre Technologie beizusteuern. Der US-amerikanische Außenminister Alexander Haig tritt über diesen Pipeline-Streit zurück. Bundeskanzler Schmidt reagiert mit klarer Kante und ironischem Kommentar auf die US-Einmischung in die europäische Wirtschaft: Immerhin brauche die UdSSR doch westliche Devisen, um in den USA weiter Getreide zu kaufen.

„Das alles liest sich aus heutiger Sicht absurd. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich, wie ähnlich unsere Situation derzeit ist. Denn auch heute brauchen Deutschland und Westeuropa Erdgas aus Russland, um die Versorgung von Verbrauchern und Industrie zu sichern. Und ebenso, um Kohlestrom durch Gas zu ersetzen und die eigenen Klimaziele zu erreichen“, schreibt Mehren in dem Gastbeitrag für die Osteuropa-Informationen: „Die Konfliktlinien zwischen den USA und Westeuropa sind nahezu die gleichen. Und ebenso unverändert ist, dass Deutschland und Europa gut beraten sind, sich von diesen Drohungen nicht einschüchtern zu lassen“, so Mehren.

„Russland ist uns seit einem halben Jahrhundert ein verlässlicher Energielieferant. Politisch mag man das als gegenseitige Abhängigkeit betrachten. Aber aus wirtschaftlicher Sicht ist das ganz einfach die Basis für eine verlässliche Partnerschaft. Denn jede gute Partnerschaft basiert auf gegenseitigen Interessen und Bindungen“, so Mehren. Und die deutsche Energiewirtschaft wisse aus jahrzehntelanger Erfahrung und erfolgreicher wirtschaftlicher Kooperation, wie eine unabhängige und wettbewerbsfähige Energieversorgung funktioniert – trotz Gegenwinds.

Hinweis: Den Gastbeitrag „Trotz Gegenwind: eine historische Energiepartnerschaft“ finden Sie hier. Er erscheint außerdem in der März-Ausgabe des Magazins Osteuropa Informationen.

Ansprechpartner

Andreas Metz
Leiter Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-120
A.Metz@bdi.eu

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