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"Tektonische Verschiebungen in Zentralasien"

31.07.2018

Interview mit dem usbekischen Botschafter in Berlin

Vor eineinhalb Jahren hat Usbekistan einen Kurs der Reformen und der Öffnung des Landes eingeschlagen. Das Land ist mit 32 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste in Zentralasien. Welche Ergebnisse die Reformen bislang gebracht haben und welche Chancen sich daraus für die deutsch-usbekischen Wirtschaftsbeziehungen ergeben, darüber sprachen wir mit dem usbekischen Botschafter Nabijon Kasimov. Das Interview stammt aus der aktuellen Ausgabe unserer Osteuropa-Informationen, die Anfang August wieder als Beilage des Magazins Ost-Contact erscheinen.

Exzellenz, Usbekistan hat 2016 einen Reformkurs eingeschlagen. Welches sind die Schwerpunkte?

Mit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev Ende 2016 begannen in unserem Land weitreichende Reformen, die sich praktisch auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens beziehen, einschließlich der Wirtschaft. Ziele sind eine Modernisierung der Wirtschaft und eine neue legislative Basis. Diese beinhaltet unter anderem eine Reform des Steuersystems, der Zollverfahren und der Haushaltspolitik. Die freie Konvertierung der nationalen Währung wurde eingeführt, und Hindernisse für Außenhandel und Investitionen sind beseitigt worden. Das Hauptziel all dieser Reformen ist letztendlich, das Leben der Bürger zu verbessern.

Wie entwickelt sich die regionale Zusammenarbeit in Zentralasien? Ist dabei der Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) ein Thema für Usbekistan?

Seit anderthalb Jahren hat Usbekistan einen Kurs der Reformen und der Öffnung des Landes eingeschlagen.

In den letzten 20 Jahren hatte Usbekistan eine Reihe von ungelösten Problemen in den Beziehungen zu den Nachbarländern. Nun erleben wir tektonische Verschiebungen in Zentralasien: Wir haben begonnen, die Probleme zu lösen. Der neue Kurs unseres Landes, der darauf abzielt, das Potenzial für eine gegenseitige vorteilhafte Zusammenarbeit zu nutzen, hat bereits positive Ergebnisse erzielt. Der Handelsumsatz zwischen Usbekistan und den Ländern Zentralasiens stieg im ersten Halbjahr 2018 um 46 Prozent. Wir haben die Grenzübergangsverfahren zwischen unseren Ländern vereinfacht, damit die Menschen ihre Verwandten besuchen können und sich die regionale Zusammenarbeit weiter intensiviert. Ein Beitritt zur EAWU steht nicht auf unserer Agenda. Im Bereich des Außenhandels konzentrieren sich derzeit unsere Bemühungen auf den Beitritt zur WTO. Dies wird auch zur Regelung der Handelsbeziehungen mit der EAWU beitragen.

Welche Bedeutung hat Deutschland als Wirtschaftspartner für Usbekistan?

Deutschland ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Usbekistans. Wir sehen drei Schwerpunkte in unseren Beziehungen: wir wollen mehr deutsche Technologie anziehen, die usbekischen Exporte nach Deutschland steigern und mehr Touristen von dort anlocken. Mit Unterstützung des OAOEV besuchte im Mai die größte Wirtschaftsdelegation in der Geschichte unserer bilateralen Zusammenarbeit das Land. Im Rahmen des Besuchs wurde eine Vielzahl von gemeinsamen Projekten vereinbart. Wir haben die Gründung einer Sonderwirtschaftszone speziell für deutsche Investoren vorgeschlagen. Zudem wurde ein Programm vereinbart, dass usbekischen Managern Praktika in deutschen Unternehmen ermöglicht. Wir hoffen außerdem darauf, bald eine Deutsch-Usbekische AHK in Taschkent eröffnen zu können. In Kürze reist eine Gruppe von Experten angesehener deutscher Forschungsinstitute zur Wirtschaftsberatung nach Usbekistan.

Welche Chancen bietet Usbekistan für deutsche Unternehmen?

Usbekistan ist bereit, deutschen Unternehmen Investitionsprojekte in verschiedenen Bereichen anzubieten. Die vielversprechendsten Branchen sind die Textilindustrie, die Herstellung von Baumaterialien, Elektrotechnik, Pharmazie, Obst- und Gemüseverarbeitung, chemische Industrie, Maschinenbau, Tourismus und die Automobilindustrie, wo es schon deutsche Investoren gibt. Besonders wichtig ist für uns die Logistik, weil Usbekistan ein Binnenland ohne Zugang zum Meer ist. Es geht dabei nicht nur um deutsche Technologien, sondern auch darum zu lernen, wie man Produkte exportiert und verkauft. Unser Land ist heute ein Ort mit unbegrenzten Investitionsmöglichkeiten, wo man viel Geld verdienen kann. Gleichzeitig sollten sich deutsche Unternehmen, die zum ersten Mal in den usbekischen Markt eintreten wollen, etwas beeilen und auf den entsprechenden Wettbewerb vorbereitet sein. Denn infolge der laufenden Reformen steigt die Zahl der an Zusammenarbeit in verschiedenen Sektoren interessierten ausländischen Unternehmen. Deutsche Unternehmen können in Usbekistan viele attraktive Projekte finden, und unsere Botschaft ist gerne bereit, bei der Herstellung geeigneter Kontakte und bei der Verwirklichung gemeinsamer Initiativen jede mögliche Unterstützung zu gewähren.

Das Gespräch führte Christian Himmighoffen

Ansprechpartner

Christian Himmighoffen
Referent Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-122
C.Himmighoffen@bdi.eu

 

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