
Am 6. August 2018 wäre der langjährige Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Otto Wolff von Amerongen 100 Jahre alt geworden. Der 1918 in Köln als Sohn eines Eisenhändlers geborene Wolff von Amerongen gilt als eine der einflussreichsten Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik. Nach Übernahme des Ost-Ausschuss-Vorsitzes 1955 war Wolff von Amerongen am Abschluss erster Handelsverträge der Bundesrepublik mit China und der Sowjetunion beteiligt. Diese und weitere Aktivitäten etwa im Zusammenhang mit den legendären „Erdgas-Röhren-Geschäften“ brachten ihm den Titel eines „heimlichen Osthandelsministers“ ein.
Bereits 1940 hatte der damals 22-jährige Otto Wolff nach dem plötzlichen Tod des Vaters die Geschäfte des familieneigenen Metallhandelshauses übernehmen müssen. Das Unternehmen Otto Wolff war seit den frühen 1920er Jahren auch in der damaligen Sowjetunion aktiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Otto Wolff als Repräsentant der Firma in Lissabon überstand, knüpfte er trotz der Spaltung Deutschlands und des beginnenden Kalten Krieges an diese Geschäftsaktivitäten an, sodass Wirtschaftsminister Ludwig Ehrhard ihn 1952 bat, den Vorsitz des Arbeitskreises Sowjetunion im gerade neu gegründeten Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zu übernehmen. 1955 löste er Hans Reuter als Vorsitzenden des Ost-Ausschusses ab und übte das Ehrenamt bis zum Jahr 2000 aus, über 45 Jahre lang.
Den Ost-Ausschuss beschrieb Wolff in seinem Buch „Der Weg nach Osten“ von 1992 als „Kind der Not, um der jungen Bundesrepublik traditionelle Exportmärkte im Osten, die vor dem Zweiten Weltkrieg fast 20 Prozent der deutschen Ausfuhren aufnahmen, wieder zu öffnen.“ Und weiter: „Nur mit immer neuem Mut konnten wir selbst in den frostigsten Jahren des Kalten Krieges die geschäftliche Fahrrinne offenhalten, bis wieder politisches Tauwetter einsetzte“ – eine Maxime, die den Ost-Ausschuss – Osteuropaverein bis heute prägt.
Als das Tauwetter Mitte der 1980er Jahre dann mit Macht einsetzte, gehörte Otto Wolff zu denjenigen, die sich am entschiedensten für die wirtschaftliche Unterstützung des Transformationsprozesses in den östlichen Nachbarstaaten einsetzte. Dazu engagierte er sich für die Gründung von Delegiertenbüros der deutschen Wirtschaft in den osteuropäischen Hauptstädten, aus denen sich später größere Repräsentanzen bis hin zu vollwertigen Auslandshandelskammern entwickelten. Außerdem richtete der Ost-Ausschuss in Berlin ein Kooperationsbüro ein, das ostdeutsche Unternehmen dabei unterstützte, ihre traditionellen Ostmärkte in Zeiten der Marktwirtschaft nicht völlig zu verlieren. Das Büro in Berlin legte auch den Grundstein für die spätere Übersiedlung des ganzen Ost-Ausschusses aus Otto Wolffs Kölner Heimat in die neue Bundeshauptstadt.
Michail Gorbatschow, den Otto Wolff als ersten Staatschef der Sowjetunion 1989 im Kölner Ost-Ausschuss begrüßen konnte, nannte Wolff fast schon liebevoll den „ältesten Pionier der Arbeitsbrigade Deutschland/Sowjetunion“, ein Titel, der Wolff durchaus gefiel. Sich selbst bezeichnete er in seinen Memoiren als „Edelkomparse der großen Politik“, „der dort Brücken baute, wo – insbesondere in Krisenzeiten – die Sprachlosigkeit der Politiker ein westöstliches Kommunikationsvakuum hinterließ“.
Der „Edelkomparse“ Otto Wolff hielt nicht nur in der Sowjetunion die Türen für die bundesrepublikanische Wirtschaft und Politik offen, er reiste oft in die DDR und in andere Staaten des Warschauer Pakts, gehörte zu den Pionieren im Handel mit China oder hielt die Kontakte nach Portugal. 1985 wurde Otto Wolff die Ehrendoktorwürde der Universität Jena verliehen, gleichzeitig wurde er der erste Deutsche, der nach dem Krieg in den Aufsichtsrat eines US-amerikanischen Unternehmens (Exxon) berufen wurde. Dass er ein Mann ohne Fehler war, hätte er selbst nie von sich behauptet. Kritisch wurde etwa die Rolle seines Unternehmens in der Zeit des Nationalsozialismus kommentiert. Wolff selbst war während des Krieges von Lissabon aus an der Organisation kriegswichtiger Metalle beteiligt, Mitglied der NSDAP wurde er jedoch nie.
Neben dem Vorsitz des Ost-Ausschusses (1955 bis 2000) leitete Otto Wolff fast 20 Jahre von 1969 bis 1988 auch den Deutschen Industrie und Handelskammertag DIHK. 1986 zog er sich aus seinem Unternehmen zurück, 1990 wurde der Otto-Wolff-Konzern dann mit seinen 200 Beteiligungen und 30.000 Mitarbeitern an die Thyssen AG verkauft. 1991 entstand die Otto Wolff von Amerongen-Stiftung, die sich der Förderung von Bildung, Erziehung und Völkerverständigung widmet und heute in Köln ein Institut für Wirtschaftsforschung unterhält.
Dem Ost-Ausschuss blieb Otto Wolff von Amerongen bis zu seinem Tod am 8. März 2007 als Vorstandsmitglied verbunden. Sein Vermächtnis wirkt bis heute.
Andreas Metz,
Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft
Andreas Metz
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