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Brüssel, bitte melden!

OA-Vorsitzender Oliver Hermes; Foto: Wilo
29.09.2020
In Zentralasien muss sich die geoökonomische Gestaltungskraft der EU beweisen/ Ein Beitrag des Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Oliver Hermes

Am 15. Oktober vor zwei Jahren stellte die EU-Kommission in Brüssel die Grundzüge einer Konnektivitätsstrategie vor, mit der die Zusammenarbeit mit den Ländern entlang der Seidenstraße entwickelt und Investitionen und Handel gefördert werden sollten. Im Mai 2019 folgte eine Strategie der EU gezielt für die fünf Länder Zentralasiens. Vor allem die Themen Verkehr, Energie und Digitales sowie zwischenmenschliche Kontakte wollte die EU in der Region in den Blick nehmen. „Zentralasien ist eine Schlüsselregion, ein Bindeglied zwischen Ost und West“, betonte bei deren Vorstellung die damalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Und der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte: „Wir haben eine klare Botschaft: Die Europäische Union will sich stärker engagieren und die Verbindungen zwischen Europa und Asien auf eine für beide Seiten vorteilhafte Weise stärken.“

Deutliche und richtige Worte, mit denen sich die EU als ernstzunehmende Alternative zu Chinas „Belt & Road“-Strategie positionierte. Mit dieser klaren Ansage, als geoökonomisches Schwergewicht in Zentralasien aufzutreten, hat die EU-Kommission große Erwartungen in der Region geweckt. Das Problem: Ein Kommissionswechsel und eine Pandemie später wachsen die Zweifel, ob Brüssel tatsächlich noch bereit ist zu liefern.

„Multivektorale Außenpolitik“

Dabei sind die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Engagement derzeit so gut, wie seit Jahrzehnten nicht mehr: Kasachstan, das seit Jahren bereits beharrlich eine „multivektorale“ Außenpolitik betreibt und sich mit großem Engagement in Berlin und Brüssel als Kooperationspartner anbietet, hat inzwischen mit Usbekistan, dem bevölkerungsreichsten Land der Region, einen starken Mitstreiter, der auf einen sehr dynamischen Reformkurs eingeschwenkt ist. Gemeinsam treten beide Länder in der Außen- und Wirtschaftspolitik für eine Stärkung multilateraler Organisationen ein, was den Zielen der EU sehr entgegenkommt.

Der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev, der am 24. September erstmals vor der UNO-Generalversammlung in New York sprach, hat in den drei Jahren seiner Präsidentschaft nicht nur nachhaltige wirtschaftliche Reformen auf den Weg gebracht, sondern auch die Menschenrechte und die gesellschaftspolitische Teilhabe grundlegend gestärkt, wofür es die Anerkennung von Nichtregierungsorganisationen sowie der Internationalen Arbeitsorganisationen ILO gab. Sein größter Verdienst ist es, die regionale Kooperation in Zentralasien vorangetrieben und damit den Frieden in der Region aktiv gefördert zu haben. Nicht nur hat er die Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarn Tadschikistan und Kirgisistan erneuert und erweitert. Vor allem mit Afghanistan sind grenzüberschreitende Projekte angeschoben worden, die von einem unschätzbaren Wert für die Stabilisierung des südlichen Nachbars sind.

Usbekistan und Kasachstan treten international für Standards ein, die auch die EU gegen Angriffe aus China und den USA zu verteidigen versucht. Sie wollen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der Region und zwischen Asien und Europa kräftig ausbauen, entlang gemeinsamer Regeln, und damit auch ein Signal gegen Populismus und Protektionismus setzen. Beide Länder hat die Corona-Krise hart getroffen und dennoch halten sie an ihrem Kurs marktwirtschaftlicher Reformen und einer weiteren Öffnung ihrer Länder für die regionale und internationale Zusammenarbeit fest.

Regionales Zentrum zwischen Europa und Asien

In seiner UNO-Rede knüpfte Mirziyoyev direkt an die EU-Konnektivitätsstrategie an. Er schlug ein regionales Zentrum zur Entwicklung der Transport- und Kommunikationsinfrastruktur zwischen Europa und Asien unter UNO-Aufsicht vor und regte zu dessen Unterstützung die Gründung eines europäisch-zentralasiatischen Think Tanks an.

Wohl gemerkt: Mirziyoyev sprach vor der UNO in New York und adressierte dort direkt uns Europäer. Diese Botschaft aus Zentralasien sollte jetzt in Brüssel verstanden werden: Es ist Zeit, den eigenen Ansprüchen, internationale Standards zu prägen, auch Taten folgen zu lassen. Zentralasien muss zurück auf die Agenda. Dazu gehören gemeinsame Einrichtungen für Konnektivität mit Zentralasien wie die vorgeschlagenen. Dazu gehören praktische Projekte zur Verknüpfung von Schienen- und Straßenverkehr, IT-Kommunikationsnetze, Energie, Bildung und Forschung.

Die Länder der Region suchen alle einen eigenen Weg, sich neben den großen Spielern China und Russland zu behaupten und sich gleichzeitig wirtschaftlich zu modernisieren. Die Europäische Union ist der Schlüssel dazu und die Bundesregierung sollte im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft weiter an dieser wichtigen Weichenstellung arbeiten. Zentralasien muss jetzt zu einem erfolgreichen Beispiel für die geopolitische und -ökonomische Gestaltungskraft der EU werden. Brüssel, bitte melden!

Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft

Ansprechpartner

Christian Himmighoffen
Referent Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-122
C.Himmighoffen@bdi.eu

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