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Ein lohnendes Feld

Weizenfeld in der Ukraine. Foto: Pixabay
09.01.2019
Russland, Kasachstan und die Ukraine sind zunehmend wichtige Player auf den globalen Agrarmärkten

Auch 2018 belegten Russland und die Ukraine Spitzenpositionen in der landwirtschaftlichen Produktion, und Kasachstan entwickelt sich zu einem vielversprechenden Player an den globalen Agrarmärkten.

Russland: Keine Änderungen der Agrarstrategie zu erwarten

Nach seiner Wiederwahl im März hat Russlands Präsident Wladimir Putin im Mai eine neue Regierung eingesetzt. Zu den wenigen Neubesetzungen gehörte das Amt des Agrarministers: Zum Nachfolger von Alexander Tkatschjow wurde Dmitrij Patruschew ernannt, bislang Vorsitzender der Landwirtschaftsbank „Rosselchosbank“ und Sohn des Sekretärs des russischen Sicherheitsrates und vormaligen Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB Nikolaj Patruschew. Mit dieser Neubesetzung ist der russische Agrarminister nicht länger mit einem Einreiseverbot in die EU belegt wie Tkatschow seit 2014, was prinzipiell einen intensivierten Dialog mit diesem Ressort ermöglichen kann.

Neu besetzt wurde auch das Amt des für Landwirtschaft verantwortlichen Vize-Premierministers: Der von 1999 bis 2009 als Agrarminister und anschließend als Gouverneur des Gebiets Woronesch amtierende Alexej Gordejew übernahm dieses Amt von Arkadij Dworkowitsch, der als Co-Vorsitzender zum Technologie-Inkubator „Skolkowo“ wechselte. Mit beiden Personalien gehen Personalrochaden im Agrarministerium einher, die über weite Strecken die Arbeit des Hauses lähmten.

Die Neubesetzungen fanden in einem wirtschaftlichen Umfeld statt, dass durch die bestehenden Sanktionen, aber auch durch neue, besonders auf oligarchische Strukturen in Russland zielende Sanktionen der USA geprägt ist; der Kurs des Rubel gegenüber dem Euro bleibt anhaltend schwach. Mit dem verstärkten Fokus auf Agrarexporten kommt der schwächelnde Rubelkurs den russischen Produzenten entgegen, erschwert jedoch die Anschaffung von Ausrüstung und Betriebsmitteln in Euro und Dollar.

Eine geänderte Agrarstrategie Russlands ist nicht zu erwarten: Auch die neue Regierung wird den Ansatz der Importsubstitution gerade im Agrarbereich verfolgen, die Branche entsprechend fördern und ausländische Technologien tendenziell benachteiligen. Gleichzeitig wächst aber mit dem staatlich forcierten Ausbau des Agrarsektors der Bedarf an effizienten Lösungen zur Produktivitätssteigerung dieses Wirtschaftszweiges, denn Versorgungslücken etwa in der Milch-, Käse- und Butterproduktion bestehen weiter. Hier die Attraktivität von Herstellern aus Deutschland zu unterstreichen, wird auch weiterhin Kernanliegen der Aktivitäten der German Agribusiness Alliance/Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft beim OAOEV in Russland sein – Fachveranstaltungen wie etwa mit dem langjährigen Vize-Agrarminister Jewgenij Gromyko im Januar 2018 in Berlin haben dies unterstrichen.

Ukraine: Wertschätzung trotz aller Schwierigkeiten

Im März 2019 wählt die Ukraine erneut einen Präsidenten - und der Wahlkampf wirft seine Schatten längst voraus: Viele Schlüsselthemen der ukrainischen Politik werden kaum noch angegangen, in der Sorge, Wähler abzuschrecken – darunter die Frage nach der Zukunft des Bodenmarkts oder der Preise für die Erdgas-Wärmeversorgung. Nach wie vor hat die Ukraine keinen Agrarminister – dessen Funktion übt seit Mai 2017 der Erste Vizeagrarminister Maxim Martynjuk aus, um die bestehende Regierungskoalition nicht mit einer entsprechenden Abstimmung über die Neubesetzung zu befassen.

Für ausreichend Liquidität sorgte der Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Überweisung einer weiteren Tranche seines Kredits von insgesamt 17,5 Milliarden US-Dollar, als er im August die Summe von zwei Milliarden US-Dollar anwies. Der Überweisung war ein langes Tauziehen zur Implementierung verstärkter Korruptionsbekämpfung als Bedingung vorausgegangen. Die Reformbestrebungen sind vor dem Hintergrund des beginnenden Wahlkampfs deutlich zurückgegangen.

Die ukrainische Griwna hat ihr Tief gegenüber dem Euro nicht überwinden können. Dessen ungeachtet investieren Landwirtschaftsbetriebe in neue Technik, die sie in westlicher Währung kaufen müssen: Die Erträge im Pflanzenbau lohnen sich nach wie vor, der Agrarsektor erfüllt auch weiterhin seine Schlüsselfunktion als stabilisierender, produktiver Wirtschaftszweig. Investments wie der Aufbau einer Maissaatproduktion durch Bayer-Monsanto westlich von Kiew mit einem Volumen von rund 200 Millionen US-Dollar unterstreichen die Wertschätzung, die die Ukraine trotz aller Schwierigkeiten gerade im Agrarsektor genießt.

Anhaltende Probleme bereiten protektionistische Tendenzen. Westliche Landtechnikhersteller erhalten nur erschwert Zertifizierungen für ihre Produkte, während das ukrainische Agrarministerium offen für eine Produktion vor Ort wirbt.

Sicher ist: Im Zusammenspiel mit den entsprechenden politischen Playern muss auch weiterhin an einer Verbesserung der wirtschaftlichen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Dialog gearbeitet werden – nicht umsonst spielte der Agrarsektor beim 3. Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum Ende November in Berlin eine zentrale Rolle.

Kasachstan: Verstärkte politische Unterstützung für den Agrarsektor

Kasachstan lernt sein Agrarpotenzial neu kennen – es soll zur Diversifizierung der Wirtschaft beitragen, Lebensperspektiven im ländlichen Raum bieten und Aushängeschild für Exporte aus Kasachstan werden. Der weiterhin schwache Tenge animiert zur verstärkten Suche nach Alternativen zu anderen Exportgütern, während die Erlöse für Erdöl und Gas stagnieren.

Im Zuge zahlreicher Umbesetzungen der Führungsebene des Agrarministeriums war im Dezember 2017 Umirsak Schukejew zum Minister und zugleich zum Vize-Premier ernannt worden. Zuvor war Schukejew CEO des Nationalen Wohlfahrtsfonds „Samruk-Kazyna“ mit einem geschätzten Vermögen von 78 Milliarden US-Dollar, der ganz oder teilweise eine Reihe von bedeutenden Unternehmen besitzt, darunter die Staatsbahn und -post, den Erdgas- und Ölproduzenten KazMunayGas und die Fluglinie Air Astana.

Wie die vergangenen Monate gezeigt haben, ist Schukejew im Vergleich zu seinen Vorgängern medial deutlich präsenter, gleichwohl fachlich versiert und mit dem klaren Auftrag versehen, Effizienz und Produktivität der Branche zu steigern. Vor diesem Hintergrund wird der Agrarsektor Kasachstans zukünftig verstärkt politische Unterstützung genießen.

Im schwierigen volkswirtschaftlichen Umfeld bleiben protektionistische Tendenzen spürbar. So wird ausländischen Landtechnikunternehmen weiterhin nahegelegt, in Kasachstan zu produzieren, auch wenn diese bereits Produktionsstätten in anderen Mitgliedsländern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) aufgebaut haben, etwa in Russland. Trägt Kasachstan an dieser Stelle aktiv zur Dysfunktionalität der EAWU bei, leidet es an anderer Stelle am Fehlverhalten anderer Mitgliedsstaaten: Auf Druck russischer und belarussischer Zuckerproduzenten wurden Vergünstigungen für den Zuckerimport aus Drittländern annulliert. Der Preis für Zucker, der nun nur noch aus der EAWU eingeführt werden soll, wird nach Schätzungen kasachischer Zuckerproduzenten für den Endverbraucher um 40 Prozent steigen - ein reelles Zuckerdefizit droht am Horizont.

Prinzipiell stehen die Zeichen in der Region auf Entwicklung: Die politische und wirtschaftliche Öffnung von Kasachstans Nachbar Usbekistan als bevölkerungsreichstem Land Zentralasiens bietet auch für Kasachstan neue Möglichkeiten. Beide Länder sind sich bewusst, dass sie miteinander mehr als gegeneinander erreichen. Umso wichtiger wird der Dialog zur zukünftigen Gestaltung der Agrarpolitik Kasachstans sein – die AG Agrarwirtschaft nutzte auch deswegen ihre Präsenz auf der ersten Deutsch-Kasachischen Agrarkonferenz Ende Oktober in Astana, um weitere Gesprächsangebote zu unterbreiten.

Dr. Per Brodersen
Geschäftsführer Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft beim OAOEV

Ansprechpartner

Dr. Per Brodersen
Geschäftsführung AG Agrarwirtschaft
Tel.: 030 206167-124
p.brodersen@bdi.eu

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