
Der deutsche Außenhandel mit Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien bleibt eine Stütze der deutschen Exportwirtschaft. Im vergangenen Jahr stiegen die deutschen Ausfuhren in die 29 Zielländer des Ost-Ausschusses gegen den Trend um knapp ein Prozent auf insgesamt 281 Milliarden Euro. Das geht aus den Daten des Statistischen Bundesamtes hervor, die der Ost-Ausschuss aktuell ausgewertet hat. Allein die deutschen Exporte nach Polen wuchsen 2024 um über drei Milliarden auf 93,8 Milliarden Euro (+3,5 Prozent). Das östliche Nachbarland überholte damit China und ist nunmehr weltweit der viertwichtigste deutsche Absatzmarkt. Besonders erfreulich entwickelten sich auch die deutschen Exporte in die Ukraine, die um 1,2 Milliarden auf 8,2 Milliarden Euro zulegten (+17 Prozent). Der Handel mit Russland schrumpft hingegen weiter: Die deutschen Ausfuhren nach Russland – insbesondere pharmazeutische und chemische Erzeugnisse – gaben um 1,3 Milliarden auf nun noch 7,6 Milliarden Euro nach (-15 Prozent). Russland rangiert unter den deutschen Handelspartnern nur noch auf Platz 45.
„Die breite Präsenz deutscher Unternehmen in Mittel- und Osteuropa ist längst eine Stütze der deutschen Wirtschaft", sagte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser heute auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Verbands in Berlin. Der Ost-Ausschuss fordert die künftige Bundesregierung daher auf, die enge Partnerschaft mit Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien weiter zu vertiefen und die europäische Integration der Ukraine, Moldaus und der Länder des Westlichen Balkans voranzutreiben.
Während die deutschen Exporte in die Länder des Ost-Ausschusses insbesondere dank Polen und der Ukraine im Plus lagen, gingen die deutsche Importe aus der Region 2024 um 1,8 Prozent auf 258 Milliarden Euro zurück. Hier schlagen sich der Rückgang der Einfuhren aus Russland (-50 Prozent) und die schwache Konjunktur in Deutschland nieder.
In Zukunft wird die Bedeutung Mittel- und Osteuropa für die deutsche Wirtschaft weiter zunehmen, wie eine aktuelle Umfrage des Ost-Ausschusses mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zeigt. 55 Prozent der befragten 133 Unternehmen erwarten bis 2030 eine wachsende Bedeutung der Region für ihr Geschäft, 56 Prozent planen dort Investitionen. Gefragt wurde hier nach den 20 EU-Mitgliedsländern und Beitrittskandidaten.
„In Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien gibt es spannende Absatzmärkte mit großem Konsum- und Investitionsbedarf,“ sagte Claas-Mühlhäuser. Darüber hinaus sei die Region von entscheidender Bedeutung für die Verkürzung der Lieferketten sowie die Beschaffung kritischer Rohstoffe und Energie. „Neue Ideen für die EU-Integration sowie ein rascher Ausbau der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit den rohstoffreichen Regionen Zentralasiens können hier noch mehr Dynamik entfachen."
Angesichts der wachsenden Bedeutung des östlichen Europas und Zentralasiens für die deutsche Wirtschaft präsentierte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende acht Kernforderungen an die künftige Bundesregierung (s. Anhang). „Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem mit Abstand wichtigsten östlichen Handelspartner Polen muss eine neue Qualität erreichen“, fordert Claas-Mühlhäuser. Gemeinsam mit Warschau gelte es, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den Wiederaufbau der Ukraine zu koordinieren. „Die jährlichen deutsch-polnischen Regierungskonsultationen sollten durch Wirtschaftsgespräche begleitet und eine gemeinsame Agenda mit grenzüberschreitenden Leuchtturmprojekten erarbeitet werden, etwa in den Bereichen Energie und Digitalisierung,“ forderte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende.
Die neue Bundesregierung dürfe zudem in ihrem Engagement für die Ukraine nicht nachlassen. Dies gelte umso mehr, als die künftige Unterstützung durch die USA unsicher sei. Die neue Regierung in Berlin müsse den Reformprozess und die europäische Integration der Ukraine entschlossen unterstützen. „Sicherheit für die Ukraine bedeutet auch Sicherheit für die dort engagierten deutschen Unternehmen, vor allem aber Sicherheit für die gesamte EU“, so Claas-Mühlhäuser. Finanzhilfen für den Wiederaufbau müssten stärker an die Beteiligung deutscher und europäischer Unternehmen geknüpft werden.
„Der deutliche Anstieg der deutschen Importe aus der Ukraine zeigt, dass es bei der Integration der Ukraine in den EU-Binnenmarkt echte Fortschritte gibt“, sagte Claas-Mühlhäuser. Auch bei deutschen Investoren rückt die Ukraine erkennbar in den Fokus. Trotz des Krieges erwägt fast die Hälfte der von Ost-Ausschuss und KPMG befragten Unternehmen (46 Prozent) in den nächsten zwölf Monaten in der Ukraine zu investieren. „Die EU-Integration und der wirtschaftliche Wiederaufbau der Ukraine gehören untrennbar zusammen“, sagte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende. „Stabile Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit für Investoren sind unabdingbare Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum.“ Dazu sei die schnelle Übernahme von EU-Standards entscheidend.
Generell müsse sich die künftige Bundesregierung in Brüssel für eine Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit den Ländern des Westlichen Balkans sowie der Ukraine und Moldau einsetzen und für Teilmitgliedschaften in den EU-Institutionen schon vor dem endgültigen Beitritt werben. „Wir brauchen neue, kreativere Ansätze, um den seit 2012 bestehenden Beitrittsstillstand endlich zu überwinden“, sagte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende. „Ziel muss es sein, die Beitrittsverhandlungen mit mindestens einem Land bis 2028 abzuschließen. Das wäre ein starkes Signal an die Region.“ Gleichzeitig müssten aber auch die Beitrittskandidaten ihre Integrationsanstrengungen verstärken.
Claas-Mühlhäuser forderte die neue Bundesregierung zudem auf, sich konsequent für die Einhaltung der Binnenmarktregeln in allen EU-Mitgliedstaaten - etwa in Ungarn - einzusetzen. Dazu gehöre auch, keine neuen Hürden aufzubauen. So dürften Grenzkontrollen den Warenverkehr nicht behindern. „Ein nicht unerheblicher Teil der Güter im Wert von mehr als einer halben Billion Euro, die wir mit Mittel- und Osteuropa handeln, wird über unsere Grenzen mit Polen und Tschechien transportiert, teils als Just-in-time-Lieferung“, so Cathrina Claas-Mühlhäuser. „Das bricht uns zusammen, wenn die Warenabfertigung an den Grenzen stockt.“
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU, der Anfang 2026 in Kraft treten soll, stelle die auf den EU-Markt ausgerichteten östlichen Nachbarländer der EU vor große Transformationsaufgaben. Hierfür müssten die Partnerländer durch Förderprogramme und Projekte fit gemacht werden, damit keine neuen Hürden für deren Integration entstünden. Dies eröffne zugleich Chancen für deutsche Energie- und Klimatechnologie in diesen Ländern.
Die neue Bundesregierung müsse sich dafür einsetzen, dass das EU-Programm „Global Gateway“ zügig dazu beitrage, die Handels- und Verkehrsverbindungen mit Zentralasien und den Ländern des Südlichen Kaukasus zu verbessern. Die Importe aus Kasachstan stiegen im Vorjahr bereits um über 18 Prozent, während Usbekistan bei den Exporten die Nase vorne hatte. Die jährlichen Zentralasiengipfel der Bundesregierung im Z5+1-Format sollten fortgesetzt, aber ergebnisorientierter gestaltet werden.
Auch angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in Deutschland und vielen anderen EU-Ländern warb Claas-Mühlhäuser für den Ausbau der Zusammenarbeit mit Zentralasien. Mit Usbekistan und Kirgisistan gebe es bereits Abkommen zur Ausbildung und Beschäftigung von Fachkräften in Deutschland. Dieser Prozess solle politisch eng begleitet und erkannte Schwachstellen beseitigt werden. Zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für deutsche Investoren soll zudem das erfolgreiche Stipendienprogramm der Deutschen Wirtschaft für die Länder des Westlichen Balkans, das gemeinsam von Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Ost-Ausschuss getragen wird, für die Zukunft gesichert werden.
Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
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