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Rückenwind aus Polen

Warschau, Foto: Pixabay
27.05.2020
Aus Polen könnten Wachstumsimpulse für den Wiederaufbau Europas kommen/ Sitzung des AK Mittelosteuropa

In der siebten Sitzung des OAOEV-Arbeitskreises (AK) Mittelosteuropa am 27. Mai stand Polen im Fokus. Die rund 55 Teilnehmer tauschten sich mit den dem deutschen Botschafter in Warschau Rolf Nikel und dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der AHK Polen Lars Gutheil über die aktuellen Entwicklungen in Polen aus. Im Vordergrund der Sitzung stand vor allem die Frage nach dem Stand des Corona-Krisenmanagements in Polen und der Ausblick auf die weitere Entwicklung in unserem Nachbarland. Zu den Themen des AK zählten auch der Green Deal, die polnische Energiepolitik und die Frage, wie sich das Land künftig als Wirtschaftsstandort positioniert.

Wirtschaftlicher Rebound aus Polen

Die Corona-Epidemie wird auch Polens Wirtschaft in eine Rezession stürzen, die allerdings weniger heftig ausfallen dürfte als in anderen EU-Staaten. Die Europäische Kommission schätzt den wirtschaftlichen Einbruch in Polen für 2020 auf -4,3 Prozent. Die Wirtschaftsleistung der EU insgesamt wird 2020 voraussichtlich um -7,4 Prozent sinken.

Viele spricht dafür, dass der wirtschaftliche „Rebound“ für Europa auch aus Polen kommen wird. Das Land ist von der Corona-Epidemie weitestgehend verschont geblieben, auch weil die Regierung schnell und entschieden reagiert hat. Die Zahl der Infektionen belief sich Anfang Juni 2020 auf gut 24.000 Fälle - bei einer Gesamtbevölkerung von rund 40 Millionen Einwohnern.

Großes Antikrisenpaket

Polen legte in Mittel- und Osteuropa zudem das größte Antikrisenpaket auf. Es umfasst nach mehreren Nachbesserungen inzwischen rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts und beläuft sich auf einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag. Polen verfügt wie die Slowakei und Tschechien – die Ausnahme bildet hier Ungarn - aufgrund der niedrigen Staatsschuldenquote über einen erheblichen finanziellen Spielraum zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise.

Zudem soll Warschau im Rahmen des geplanten 750 Milliarden Euro schweren Antikrisenpakets der EU ersten Berichten zu Folge nach Italien und Spanien die dritthöchsten Hilfen erhalten. Der Anteil aus dem Programm „Next Generation EU“ könnte sich auf rund 60 Milliarden Euro belaufen.

Stabilitätsanker Polen

Für Deutschland bedeutet dies, dass in Krisenzeiten wichtige Wachstumsimpulse aus Polen kommen können. Trotz der sich anbahnenden Corona Pandemie verzeichnete der deutsch-polnische Warenaustausch im Januar bis März 2020 noch ein Plus von 3,1 Prozent. Dadurch überholte Polen Italien als fünftwichtigsten Außenhandelspartner der Bundesrepublik.

Im öffentlichen Diskurs dominiert in Polen derzeit die Debatte um die Präsidentschaftswahlen, die am 10. Mai hätten stattfinden sollen. Eine Verfassungskrise konnte dank eines Kompromisses im Regierungslager in letzter Sekunde abgewendet werden. Die Wahlen werden voraussichtlich am 28. Juni abgehalten werden. Die Umfragen deuten zuletzt auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Amtsinhaber und seinen Herausforderern hin.

Ausblick

Die Slowakei und Tschechien sind Polen in einer Hinsicht voraus: In beiden Ländern ist die Infektionskurve deutlich abgeflacht, während sie in Polen derzeit (noch) linear ansteigt. Damit Polen wieder in seine Rolle als Wachstumsmotor zurückkehren kann, muss die Zahl der Neuinfektionen niedrig gehalten werden. Erfreulich ist, dass Polen die Quarantänebestimmungen für Berufspendler gelockert hat. Im grenznahen Gebiet florieren die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen wieder.

Ansprechpartner

Adrian Stadnicki
Regionaldirektor Mittelosteuropa
Tel.: 030 206167-138
A.Stadnicki@bdi.eu

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