
Am 30. Juni 2025 startete mit großem Erfolg die interaktive Webinarreihe „Team Deutschland – Den Wiederaufbau der Ukraine gemeinsam voranbringen“. Über 85 Teilnehmende folgten der Einladung des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und PwC Deutschland. Das erste Webinar wurde in Kooperation mit Euler Hermes, DEG, BDI, DIHK, GIZ, German Economic Team und der Plattform Wiederaufbau Ukraine durchgeführt.
Ziel der Reihe ist es, deutsche Unternehmen praxisnah über wirtschaftliche Entwicklungen, Unterstützungsangebote und konkrete Investitionschancen beim Wiederaufbau der Ukraine zu informieren und Ideen für ein gemeinsames deutsches Engagement in der Ukraine zu entwickeln. Der Fokus des ersten Seminars lag auf den Themen Bauwirtschaft, Baustoffe und Rohstoffe. Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses, betonte in seinen einleitenden Worten die besondere Rolle deutscher Unternehmen beim Wiederaufbau. Im Anschluss daran präsentierten Expertinnen und Experten zentrale Förderinstrumente:
Matthias Koster von PwC Deutschland stellte die Investitionsgarantien des Bundes zur Absicherung politischer Risiken vor und erläuterte die Rolle der neuen Klimastrategie. Michael Geske von Euler Hermes erläuterte die Exportkreditgarantien des Bundes zur Absicherung und Finanzierung von Lieferungen in die Ukraine. Alexander Klein von der (DEG) beschrieb das Förderprogramm „ImpactConnect“ zur Finanzierung nachhaltiger Projekte. Dazu gehört auch ein Pilotprojekt zur Exportfinanzierung mit Hermesdeckung.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Ronald Metschies (GIZ) Projekte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) vor, die auf Energieeffizienz, Infrastruktur und lokale Wertschöpfung abzielen. Robert Kirchner (German Economic Team) gab einen Überblick zur wirtschaftlichen Lage und zur aktuellen Situation im Bausektor der Ukraine. Stand Ende 2024 erreichte laut Kirchner der Wiederaufbaubedarf ein Volumen von umgerechnet 524 Milliarden Dollar. Nachdem die Bauproduktion infolge des russischen Angriffs 2022 um 65 Prozent eingebrochen war, folgten in den Jahren 2023 und 2024 deutliche Wachstumsraten in Höhe von 25 beziehungsweise 19 Prozent. Dennoch bewegt sich das Produktionsniveau im Bausektor laut Kirchner weiterhin deutlich unter dem Stand von 2021. Der Anteil des Bausektors am Bruttoinlandsprodukt sank entsprechend von 3,4 (2021) auf 1,5 Prozent (2022). Inzwischen wächst der Anteil wieder.
Die Bauwirtschaft zählt zu den prioritären Sektoren für deutsche Investitionen, starkes Interesse gibt es zudem an Projekten mit Schwerpunkt Energie, Transport und öffentliche Infrastruktur. Besonders gefragt sind in der Ukraine Heizsysteme, temporäre Bauten, zirkuläres Bauen und digitale Lösungen. Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen bleibt die Regulierung in der Ukraine. Zudem belasten der Arbeitskräftemangel (bedingt durch Migration und Mobilisierung), komplexe Genehmigungsverfahren, aber auch der schwierige Zugang zu Finanzierung und Stromversorgung.
In der dritten Austauschrunde zum Thema Rohstoffe betonte Stefan Steinicke (BDI) die strategische Bedeutung der Ukraine für kritische Rohstoffe und stellte die zentralen Ergebnisse einer im Mai durchgeführten Umfrage von BDI und Ost-Ausschuss vor. Demnach planen einige Unternehmen ein stärkeres Rohstoffengagement in und mit der Ukraine. Zu deren Motivation gehört die Diversifizierung von Lieferketten, die Erhöhung der Versorgungssicherheit und möglicherweise günstigere Beschaffung. Unterstützung gibt es durch den neuen Rohstofffonds der Bundesregierung, den eine Mehrheit der befragten Unternehmen als einen möglichen Hebel für Abnahmevereinbarungen begrüßt.
In einer weiteren Runde berichteten Unternehmen von Ihrem Engagement in der Ukraine und bestehenden Chancen und Herausforderungen. REHAU Industries sieht beispielsweise einen höheren Bedarf für Transparenz beim Beschaffungsprozess und für die Absicherung von Investitionen. Die Rasch Holding sieht für ihr Engagement in der Ukraine eine insgesamt positive Entwicklung trotz eines bestehenden Mangels an Kapital und Fachkräften. Die Zeppelin International AG spricht von einem stabil laufenden Geschäft, sieht aber weiter Herausforderungen wie den Kampf gegen die Korruption, die hohen Kreditzinsen und die ungelösten Fragen bei der Mobilisierung von Arbeitskräften für den Militäreinsatz.
Im Anschluss fanden fünf parallele Break-Out-Sessions statt, in denen spezifische Themen vertieft wurden. Eine Runde beschäftigte sich mit dem Thema Finanzierung. Der Finanzierungsbedarf lokaler Unternehmen in der Ukraine bleibt demnach weiterhin hoch. Allerdings kann die DEG diesen Bedarf aufgrund des bestehenden Länderrisikos nicht direkt befriedigen. Aktuell sind lediglich Bestellerkredite in Kombination mit einer Hermesdeckung möglich, was jedoch den Import deutscher Güter voraussetzt. Im Vergleich dazu zeigen sich andere multilaterale Entwicklungsfinanzierer zwar flexibler in ihren Finanzierungsangeboten, setzen jedoch häufig hohe Mindestticketgrößen voraus, die für viele kleinere Projekte eine Hürde darstellen.
Ein weiteres zentrales Thema ist das Währungsrisiko bei Darlehen in Fremdwährungen wie US-Dollar oder Euro. In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, ob und inwieweit lokale Banken geeignete Absicherungsinstrumente anbieten können, um Unternehmen vor Wechselkursschwankungen zu schützen.
Positiv hervorgehoben wurden in der Diskussion das Programm “ImpactConnect“ der DEG, die Direktinvestitionsgarantie des Bundes sowie die enge Zusammenarbeit mit Euler Hermes – allesamt wichtige Instrumente zur Unterstützung deutscher Unternehmen beim Engagement in der Ukraine.
Im Bereich Baustoffe und Recycling gibt es weiterhin großes Interesse an deutschem Know-how. Die Branche gilt als hochinnovativ mit Schnittstellen zu Energie und Infrastruktur. Die Ukraine wird hier als vielversprechender Standort für zirkuläre Lösungen gesehen – der Krieg bleibt jedoch das größte Hemmnis.
Strategisch wichtig für die Ukraine ist das Thema Rohstoffe, insbesondere in ihren Beziehungen zur EU und den USA. Deutsche Unternehmen sind in diesem Sektor bislang kaum aktiv – er ist sehr kapital- und arbeitsintensiv und steht vor besonderen Herausforderungen wie dem Umwelt- und Klimaschutz. Kurzfristig besteht daher hierzulande wenig Investitionsinteresse.
Das Ausschreibungsverfahren ist auf der zentralen Plattform ProZorro weiterhin sehr intransparent, so ein Ergebnis der Break-out-Sessions. Deutsche Unternehmen empfehlen daher, die Vergabekriterien zu optimieren und das ukrainische Beschaffungsgesetz mit den EU-Anforderungen zu harmonisieren. Dabei sollten unabhängige Bewertungsstellen einbezogen werden, wobei der Fokus auf verbindlichen Standards für Nachhaltigkeit und Konformität liegen sollte. Diese Punkte unterstreichen die Notwendigkeit struktureller Reformen und gezielterer Unterstützung für Investoren.
Insgesamt bewies das Webinar, dass deutsche Unternehmen bereit sind, sich aktiv am Wiederaufbau der Ukraine zu beteiligen. Für eine intensivere Beteiligung sind jedoch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen wünschenswert, insbesondere in den Bereichen Finanzierung und Absicherung der Transporte gegen Kriegsrisiken sowie regulatorische Transparenz.
In der Webinarreihe sind zunächst fünf Veranstaltungen geplant. Die nächste Ausgabe findet am 7. Juli statt mit dem Schwerpunkt Maschinenbau und Metallverarbeitung. Hier alle Termine in der Übersicht: Webinarreihe „Team Deutschland“ - Den Wiederaufbau der Ukraine gemeinsam voranbringen | online | Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft Kateryna Kyslenko und Alena Akulich, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Kateryna Kyslenko und Alena Akulich,
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