Am 6. April 2018 veröffentlichte das US-Schatzamt neue Sanktionen gegen sieben russische Konzernchefs, zwölf durch diese kontrollierte Unternehmen, 17 russische Regierungsfunktionäre, eine staatliche Rüstungsfirma und eine Bank. Auch Nicht-US-Bürger und damit auch europäische Unternehmen könnten Ziel von Sanktionen werden, falls sie wissentlich „signifikante Transaktionen“ im Auftrag der blockierten russischen Personen oder Unternehmen unterstützt haben. Zum neuen US-Sanktionsgesetz hat der Ost-Ausschuss - Osteuropaverein ein Positionspapier erarbeitet, das die möglichen Auswirkungen auf deutsche Unternehmen beschreibt. Es entstand auf Basis einer Umfrage unter den Mitgliedern des Ost-Ausschusses und des Osteuropavereins.
Das neue US-Maßnahmenpaket (Executive Orders 13661, 13662 und 13582) nimmt Bezug auf Sektion 241 des „Countering America's Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA)“ aus dem August 2017. Verfügt werden die neuen Sanktionen gegen Personen und Unternehmen die von der Politik des Kremls profitiert haben und weltweit die „bösartigen Aktivitäten Russlands“ maßgeb¬lich unterstützen. Zusätzlich zu den zwölf neu gelisteten Unternehmen, die in direkter Verbindung zu den sanktionierten Geschäftsleuten stehen, werden aber ausdrücklich auch alle weiteren Unternehmen sanktioniert, an denen die gelisteten Personen oder deren engeren Familienmitglie¬der Anteile von 50 Prozent und mehr besitzen. Zur Wirkung des neuen US-Sanktionspakets heißt es, dass das Vermögen der Personen und Firmen eingefroren wird und US-Bürgern geschäftliche Beziehungen mit den sanktionierten Personen und Firmen verboten ist.
Auch Nicht-US-Bürger könnten Ziel von Sanktionen werden (sekundäre bzw. exterritoriale Sanktionen), falls sie wissentlich „signifikante Transaktionen“ im Auftrag der blockierten russischen Personen, deren engeren Familienangehörigen oder mit diesen verbundenen Unternehmen unterstützt haben. Ab welcher Höhe eine Transaktion als „signifikant“ zu bezeichnen ist, wird nicht eindeutig beschrieben.
Eine Reihe der sanktionierten russischen Personen und Unternehmen stehen in aktiven Geschäftsbeziehungen mit deutschen Unternehmen mit US-Geschäft. Nach ersten Schätzungen dürfte es sich um über 60 deutsche Unternehmen handeln, die mit sanktionierten Personen intensive Geschäftsbeziehungen haben und damit von direkten, als auch „secondary sanctions“ betroffen wären.
Diese deutschen Unternehmen sind nun mit der Frage konfrontiert, ob sie derartige, meist langjährige Geschäftsbeziehungen abbrechen. Die US-Administration hatte dazu Fristen gesetzt, die Anfang Mai bzw. Anfang Juni ausgelaufen sind. Eine Regelung für Altverträge ist nicht vorgesehen. Offen ist, wie Verträge in kürzester Zeit juristisch sauber aufgelöst werden könnten und ob in diesen Fällen Euler Hermes Kreditversicherungen greifen würden. Hier gibt es nach Auskunft der Bundesregierung keinen Automatismus, jeder Fall wird einzeln geprüft.
Deutsche Unternehmen befürchten den Ausfall von laufenden Geschäften in dreistelliger Millionenhöhe. Der kurzfristige Abbruch von Verträgen etwa mit Zuliefererunternehmen kann zudem zu Produktionsausfällen entlang der Produktionskette führen, da erst (gleichwertiger) Ersatz gefunden werden muss. Betroffen kann ein Unternehmen von direkten Sanktionen zudem dann sein, wenn es Produkte eines sanktionierten Unternehmens als Zwischenhändler an ein US-Unter¬nehmen oder einen US-Bürger verkauft.
Da vor allem internationale Banken von Sanktionen bedroht sind, ist mit weiteren Problemen bei der Finanzierung von Geschäften mit russischen Partnern auszugehen, selbst wenn diese derzeit keinen Sanktionen unterliegen. Dies wirkt sich negativ auf mögliche, zukünftige Geschäfte aus und verringert zusätzlich die Chancen deutscher Unternehmen bei zukünftigen Großaufträgen in Russland den Zuschlag zu erhalten. Es wird befürchtet, dass Konkurrenten aus China, Japan und Südkorea weitere Marktanteile gewinnen könnten.
Bereits alarmierend sind die negativen Folgen für den Betrieb deutscher und europäischer Alumi-niumverarbeiter: Das sanktionierte russische Unternehmen Rusal hat bislang 30 bis 40 Prozent des europäischen Bedarfs geliefert und betreibt auch Werke innerhalb der EU. Es drohen Preissteigerungen und Folgekosten in dreistelliger Millionenhöhe, sollte es zu Produktionsausfällen ganzer Werke kommen. Aluminium wird insbesondere in der Automobil- und Flugzeugindustrie benötigt.
Aufgrund der massiven Auswirkungen auf Rusal hat die US-Administration am 23. April reagiert und die Frist für die Abwicklung laufender Verträge mit der General Licence Nr. 14 um fünf Monate auf den 23. Oktober verlängert. Nach Aussage von US-Finanzminister Mnuchin sollen die US-Sanktionen nicht die „hardworking people“ treffen, die für Rusal arbeiten oder von dem Unternehmen abhängig sind. Im Mittelpunkt der Aktionen der US-Administration stünde der Besitzer der Unternehmen Oleg Deripaska. Sollte dieser sich aus den gelisteten Unternehmen zurückziehen, stellt die US-Administration ein Delisting der Unternehmen in Aussicht. Seit Mai wurden verschiedene weitere Licenses bzw. Updates bestehender Licenses veröffentlicht, mit denen Fristen zur Veräußerung von Geschäftsanteilen an den Deripaska-Unternehmensgruppen GAZ, En+ und Rusal schrittweise bis zum 23. Oktober 2018 verlängert wurden.
Die neuen US-Sanktionen steigern den Aufwand zur Prüfung von Geschäften weiter und werden immer mehr zum Hindernis für neue Geschäftsbeziehungen. Die Russland bezogenen US-Sanktionen nehmen heute bereits rund 140 Seiten auf der Liste der Special Designated Nationals (SDN) ein. Allein die Anfang April neu sanktionierten russischen Unternehmer und deren Familienangehörigen sollen Schätzungen zufolge insgesamt an rund 8.000 Unternehmen weltweit beteiligt sein, wobei westliche Geschäftspartner nun gezwungen sind zu prüfen, dass in keinem dieser Unternehmen sanktionierte Personen gemeinsam mehr als 50 Prozent der Anteile besitzen.
Deutsche Unternehmen, die auf dem russischen Markt aktiv sind, insgesamt handelt es sich um rund 5000, stehen von zwei Seiten unter Druck: Vor allem Banken sehen Geschäfte mit russischen Partnern zunehmen kritisch, bei einer Fortsetzung von Geschäftskontakten mit sanktionierten Personen, selbst wenn deren Unternehmen nicht direkt sanktioniert sind, droht ein Reputationsschaden. Umgekehrt haben russische Behörden angekündigt, die Befolgung von US-Sanktionen zu ahnden. Sanktionen gegen US-Unternehmen sind angekündigt, US-Lieferanten scheiden als Zulieferer zunehmend aus. Die Befolgung westlicher Sanktionen steht in Russland unter Strafe.
Insgesamt trüben sich die Konjunkturerwartungen für Russland durch die erneuten US-Sanktionen ein, was entsprechend auf den internationalen Handel und auf die Geschäftsaussichten deutscher und europäischer Unternehmen in Russland durchschlagen wird.
Das erneute Drehen an der Sanktionsspirale führt immer weiter weg von einer politischen Lösung der mit Russland bestehenden Konflikte. Die Notwendigkeit einer politischen Deeskalationsstrategie ist überdeutlich. Politiker, die Konflikte verursachen oder auf Konfrontationskurs gehen, gibt es genug. Wir brauchen Brückenbauer, die den Mut haben, ihr politisches Kapital für eine Verständigung einzusetzen. Wir sehen hier auch die Bundesregierung weiterhin in einer entscheidenden Vermittlerrolle.
Andreas Metz
Ost-Ausschuss - Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft
Andreas Metz
Leiter Presse und Kommunikation
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