
Mit der Ukraine Recovery Conference in London fand im Juni 2023 – ein Jahr nach der Veranstaltung in Lugano - bereits das zweite große internationale Ukraine-Format statt, das Akteure aus Politik, internationalen Organisationen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammenführte. Im Zentrum der Konferenz stand die Frage, wie privates Engagement für den Wiederaufbau in der Ukraine stärker mobilisiert und besser unterstützt werden kann. Während der Konferenz wurden vor allem die wirtschaftlichen Chancen für Investitionen in der Ukraine diskutiert. Dabei geht es insbesondere darum, wie Finanzierungen, Investitionsgarantien und Versicherungen unter Kriegsbedingungen gewährleistet werden können.
Von den rund 1.000 Teilnehmern kamen nach Angaben der Veranstalter etwa 400 aus der Wirtschaft, also von Unternehmen oder wirtschaftsnahen Verbänden. Der „Business Compact“, ein von den britischen und ukrainischen Regierungen initiiertes Dokument, in dem sich Akteure bereit erklären, positiv zum Wiederaufbau beizutragen, wurde bisher von über 500 Unternehmen unterzeichnet. Allerdings stehen hinter dem Compact keine konkreten Investitionsvorhaben, Fonds oder Budgets. Von Seiten der deutschen Wirtschaft nahmen rund 20 Vertreterinnen und Vertreter teil. Auf politischer Ebene wurde Deutschland von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze vertreten.
Optionen in den Bereichen Energie, Rohstoffe, Gesundheit und Logistik
Die ukrainische Regierung stellte auf verschiedenen Panels detailliert Optionen in den Bereichen Energie, Rohstoffe, Gesundheit und Logistik vor. Zudem wurde die Plattform „Digital Restoration EcoSystem for Accountable Management“ (DREAM) live geschaltet. Über diese Plattform können sich Kommunen, interessierte Akteure sowie Finanzinstitutionen und Geber einen Überblick über aktuelle Projekte, technische Bedürfnisse und Ansprechpartner verschaffen. Mit diesem Instrument sollen Nachfrage und Angebot besser zusammengeführt werden.
Mit Blick auf die Finanzierung von Wiederaufbauprojekten wurden auf der Konferenz Fortschritte erzielt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte in London eine Ukraine-Fazilität (Proposal) an, die in den Jahren 2024 bis 2027 Nothilfe- und Unterstützungszahlungen der EU an die Ukraine ermöglichen soll, aber auch Mittel für den Wiederaufbau bereitstellt. So soll es EU-Mitgliedstaaten zum Beispiel ermöglicht werden, mit einer Rückversicherung durch Mittel aus der Fazilität eigene Investitionskreditversicherungen anzubieten, um Investitionen in der Ukraine abzusichern. Wenn die Fazilität bestätigt wird, stehen zusätzlich 50 Milliarden Euro für Nothilfe, als Makrofinanzhilfe und für den Wiederaufbau bereit. Zur Finanzierung wird auch an einer rechtssicheren Lösung gearbeitet, um im Ausland eingefrorene russische Vermögen einsetzen zu können.
Zwei Säulen: Infrastruktur und private Investitionen
Während der Konferenz wurde deutlich, dass es beim Thema Wiederaufbau zwei Säulen gibt. Zum einen muss die Infrastruktur wieder aufgebaut werden. Dazu hat die ukrainische Regierung vorgeschlagen, auch verstärkt Öffentlich-Private Partnerschaften zu nutzen. Dafür wird eine Rahmengesetzgebung in der Ukraine benötigt, die eine verlässliche Grundlage dafür schafft. Der Wiederaufbau von Schulen, Straßen, Brücken und kritischer Infrastruktur ist allerdings in erster Linie eine öffentliche Aufgabe. Der Strom- und Energiesektor bietet jedoch perspektivisch auch kommerzielle Chancen.
Zweite Säule sind private Investitionen, unternehmerische Kooperationen und die Entwicklung von Rahmenbedingungen, die ein faires Wettbewerbsumfeld schaffen, Investitionen ermöglichen und wirtschaftliche Kooperation fördern. Dazu müssen Unternehmen Business Cases identifizieren, etwa in der Landwirtschaft, im IT-Sektor, in der Lohnveredelung oder bei Rohstoffen.
Absicherungen: Schritte zur Normalisierung
Ein wichtiger Schritt aus deutscher Sicht war die Erweiterung der Investitionsgarantien des Bundes (Garantien für Direktinvestitionen - Investitionsgarantien) im Frühjahr 2023, die nun auch unter Kriegsbedingungen in der Ukraine genutzt werden können und Kriegsschäden sowie politische Risiken absichern. Auf der Konferenz wurde deutlich, wie wertvoll und wichtig dieses Instrument ist. Parallel zur Londoner Konferenz hatte der deutsche Exportkreditversicherer Euler Hermes angekündigt, die Warenkreditversicherung (AGA-Report Spezial (exportkreditgarantien.de) zu vereinfachen, und damit einen ersten Schritt zur Normalisierung dieses Instruments für die Ukraine gemacht.
Positiv ist zu bewerten, dass die EBRD an einem Mechanismus arbeitet, mit dem der ukrainische kommerzielle Versicherungssektor unter Kriegsbedingungen gestärkt werden soll und über den künftig auch wieder Transportversicherungen ermöglicht werden. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um den Handel zu stärken. Einige Unternehmen diskutieren bereits über konkrete Investitionsprojekte.
Wichtig ist es dabei, die Themen gute Verwaltung und effiziente Bürokratie nicht aus dem Blick zu verlieren und mit Hilfe von transparenten Verfahren Vertrauen in Ausschreibungen und andere Prozesse zu schaffen. Forderungen nach einer konsequenten Umsetzung von Anti-Korruptionsmaßnahmen, einer transparenten Verwaltung und vertrauensvollen Abläufen begleiteten die Gespräche zwischen ukrainischen Akteuren und internationalen Partnern in London. Hier sollte die Bundesregierung all die Kräfte stärken, die in der Ukraine darauf hinarbeiten. Die nächste Ukraine Recovery Conference soll im Jahr 2024 in Deutschland stattfinden.
Stefan Kägebein
Regionaldirektor Osteuropa
Stefan Kägebein
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