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Gemeinsam für Sicherheit und nachhaltiges Wachstum

Rund 100 Gäste nutzten die Konferenz „Rebuilding Ukraine“, um sich über Kooperationsmöglichkeiten in den Branchen Rüstung, Agrar und Energie zu informieren. Foto: A. Metz
28.04.2025
Rund 100 Gäste bei deutsch-ukrainischer Wirtschaftskonferenz im Haus der Deutschen Wirtschaft / Schwerpunkte: Rüstung, Agrar und Energie

Unter dem Titel „Rebuilding Ukraine – Reinforcing Europe: Unlocking Strategic Investment Opportunities“ fand am 25. April 2025 im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin eine deutsch-ukrainische Wirtschaftskonferenz statt, die der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft gemeinsam mit der Ukraine Facility Platform (UAFP) organisierte. Rund 100 Interessierte informierten sich über Möglichkeiten der deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit in den Branchen Rüstung, Agrarwirtschaft und Energie.

In ihrer Einleitung betonten Alena Akulich, Regionaldirektorin im Ost-Ausschuss, und Lana Zerkal (Sprecherin des UAFP-Steering Committee) die Bedeutung eines engen Dialogs zwischen deutscher und ukrainischer Wirtschaft über strategische Investitionsmöglichkeiten in der Ukraine und bestehende Hemmnisse für Unternehmen. Holger Krämer, Leiter der Abteilung für Wirtschaftsdiplomatie im Auswärtigen Amt, unterstrich das Engagement Deutschlands für das durch Russland angegriffene Land „as long as it takes“. Der russische Präsident sei mit seinem „kriminellen Plan“ gescheitert, die ganze Ukraine zu erobern. Diese werde demokratisch bleiben und Teil der Europäischen Union werden. „Der Kampf der Ukraine ist auch unser Kampf“, so Krämer.

Panel 1: Verteidigung – Innovation und Kooperation im Fokus

Das erste Panel widmete sich dem strategisch entscheidenden Verteidigungssektor. Pavlo Verkhniatskyi, Vorsitzender des UAFP Business Councils, zeigte die rasante Entwicklung des Sektors in der Ukraine auf: Von einem Umsatz von einer Milliarde Dollar vor Kriegsbeginn 2021 ist die ukrainische Rüstungsindustrie auf 20 Milliarden Umsatz im Jahr 2024 gewachsen. Das eigentliche Potenzial läge aber bereits bei 30 Milliarden Dollar, doch fehlte im Land das Geld, um Aufträge auszulösen. Hier bestünden Chancen, auch für andere europäische Länder zu produzieren.

Wie zwei Vertreter der ukrainischen Unternehmen ArmySpetsTec und FRDM Group in ihren Impulsen erläuterten, ist die ukrainische Rüstungsindustrie insbesondere in der Produktion unbemannter Drohnen und der dazugehörigen Munition inzwischen Technologieführer. Auch an autonomen Systemen am Boden und im Wasser werde erfolgreich gearbeitet. Entsprechend könne die Ukraine der europäischen Rüstungsindustrie einiges anbieten und wünscht sich, entsprechend in europäische Strukturen für Forschung, Entwicklung und Beschaffung eingebunden zu werden.

Auf deutscher Seite waren das Bundesverteidigungsministerium sowie das Unternehmen KNDS vertreten. Demnach verändert sich der Fokus des deutschen Engagements zunehmend von der kurzfristigen Nothilfe aus Lagerbeständen hin zum Aufbau von Produktionskapazitäten und Instandsetzung vor Ort. Kooperationen mit ukrainischen Partnern würden sich zunehmend intensivieren. Allerdings müsse dabei sowohl auf europäischer wie auch auf ukrainischer Seite noch an der Verbesserung administrativer Abläufe gearbeitet werden.

„Wir müssen uns hier auch gegenseitig mehr verzeihen“, warb mit Nadine Timm, Head of Representative Office Berlin KNDS, um mehr Verständnis auf beiden Seiten. Die Anpassung der europäischen Rüstungsindustrie an die Kriegslage ginge nicht über Nacht und technologische Entwicklungen seien sehr teuer und für die mittelständisch geprägte deutsche Rüstungswirtschaft durchaus eine Herausforderung.

Julian Ries, Rechtsberater im Integrites-Büro in Kyjiw, sieht einen Trend zu Kooperationen und Joint-ventures. Die ukrainischen Start-ups im Rüstungssektor seien sehr interessant für europäische Partner geworden. Das ukrainische Unternehmensrecht mache es internationalen Investoren zudem sehr einfach, im Land aktiv zu werden.

Panel 2: Agrarsektor – Transformation durch Technologie

Die Ukraine ist wegen ihrer fruchtbaren Schwarzerde-Böden allgemein als Kornkammer Europas bekannt. Über 50 Prozent des Landes werden landwirtschaftlich genutzt und trotz des Krieges produziert der Sektor stabil, stützt die ukrainische Wirtschaft und gibt etwa 15 Prozent der Bevölkerung Arbeit. Doch die Ukraine will mehr erreichen. Olga Trofimtseva, Expertin für den Bereich bei UAFP, zeigte in ihrem Impuls auf, wie die Ukraine künftig zu einem strategischen Agrar- und Biotechnologiestandort werden kann: durch nachhaltige Produktionsweisen, Verarbeitung vor Ort und digitale Landwirtschaft. Oksana Osmachko, Vizeministerin für Agrarpolitik, kündigte an, die Ukraine vom reinen Rohstoffexporteur hin zu einem verarbeiteten Industriestandort zu transformieren. Dazu gebe es auch staatliche Förderprogramme für entsprechende Industrieparks.

Aktuell werde nur rund 25 Prozent der ukrainischen Agrarproduktion auch im Land verarbeitet, die meisten Erträge gehen als Rohware ins Ausland. Hier liegt ein großes Entwicklungspotenzial brach, wie auch Oliver Gierlichs, Geschäftsführer von Bayer Ukraine betonte. Er regte an, in der Ukraine einen Konsumgüterchampion wie Nestlé oder Unilever aufzubauen. Das Potenzial sei vorhanden.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Yuriy Yegorov von Claas zeigte Gierlichs Ansatzpunkte für die Modernisierung des ukrainischen Agribusiness mit Hilfe deutscher Technologie auf. Mit modernen Maschinen sei es möglich mit weniger Saatgut und weniger Pestizideinsatz höhere Ernten zu erzielen.
Anton Zhemerdeev (TAS Agro), Oleksander Ronsevicj (BTU Center) und Maryna Kovalova (Smart Farming) regten unter anderem deutsch-ukrainische Kooperationen zur Produktion von biobasierten Textilien etwa aus Hanf und Flachs und zur Produktion von Bio-Methan an. Die Ukraine sei in der Lage den europäischen Bedarf an Biomethan bis zum Jahr 2030 zu 30 Prozent zu decken. Die Ukraine könne generell das Rückgrat einer sicheren Versorgung der EU mit Agrargütern werden. „Wir sind voll darauf eingestellt, mit europäischen Partnern zu kooperieren“, so Zhemerdeev.

Panel 3: Energie – Versorgungssicherheit durch grüne Innovation

Im dritten Panel, das Kateryna Kyslenko, Leiterin des Service Desk Ukraine im Ost-Ausschuss, moderierte, ging es um den Schwerpunkt Energie. Hier wurde deutlich: Der Wiederaufbau der Energieinfrastruktur ist nicht nur eine technische, sondern auch eine strategische Aufgabe. Im Laufe des Krieges hat sich die Ukraine von fossilen Großkraftwerken, die leichter zerstört werden können, hin zu dezentraler und grüner Energieerzeugung umorientiert. Björn Heidrich, Managing Partner bei der Eltec Green Energy GmbH, sieht in diesem Bereich generell gute Entwicklungschancen für sein Unternehmen, berichtete aber auch von aktuell großen Schwierigkeiten durch den Rückzug von USAID aus der Ukraine. Die Finanzierung bereits laufender Projekte sei dadurch in Frage gestellt. Zudem gebe es immer wieder Probleme mit dem ukrainischen Ausschreibungssystem. „Wir haben uns auf rund 80 Tender beworben und einige gewinnen können, bei 40 kam aber bislang gar keine Antwort, obwohl das Verfahren längst abgeschlossen sein müsste“, bemängelte Heidrich. 

Insgesamt konnte das ukrainische Energiesystem den russischen Angriffen erstaunlich gut standhalten, berichtete Robert Kirchner von Berlin Economics. Ein Grund dafür ist auch die funktionierende Unterstützung aus dem Westen. Iuliia Zaichenko, die den von einer Vielzahl westlicher Länder finanzierten Ukrainian Energy Support Fund vertrat, berichtete von 1,14 Milliarden Euro, die für über 750 Lieferverträge genutzt werden konnten. Andrii Syvak, CEO der Asset Management Company, stellte abschließend ein innovatives Konzept zur Förderung grüner, dezentraler Energie in der Ukraine vor, das auch deutsche Unternehmen vor Ort nutzen können: Mit Hilfe eines Renewable Energy Fund können Solarparks auf Firmengeländen finanziert werden. Dies senkt Energiekosten und erhöht gleichzeitig die Versorgungssicherheit. Laut Vitalii Denysenko, CEO der Ukrainian Distributed Generation LLC, hat es auch dank dieser Initiativen die Ukraine geschafft, bereits über 6 Gigawatt an Solarenergie und 5,1 Gigawatt an Windkraftanlagen zu installieren.

Die Konferenz zeigte: Der Wiederaufbau der Ukraine ist längst mehr als eine Frage der Solidarität – er ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt mit enormem wirtschaftlichen Potenzial. Ob in Verteidigung, Landwirtschaft oder Energie – überall wurden konkrete Projekte, ukrainische Innovationskraft und Kooperationsbereitschaft sichtbar. Bestehende Hindernisse sollten nicht übersehen werden, scheinen aber beherrschbar zu sein, zumal die stetige Annäherung der Ukraine an die EU schnelle regulatorische Fortschritte und weiter zunehmende Rechtssicherheit erwarten lässt. Die ukrainische Wirtschaft ist bereit – nun sind europäische Unternehmen und Regierungen gefragt, bereits zu Kriegszeiten in eine sichere und nachhaltige Zukunft zu investieren. Dass Deutschland für die Ukraine in der EU als wichtigstes Land und im Vergleich zu den USA mittlerweile als wesentlich verlässlicherer Partner gilt, ist ein Startvorteil, der aber eben auch genutzt werden muss.

Andreas Metz,
Leiter Public Affairs im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Alena Akulich
Regionaldirektorin Osteuropa
T. +49 30 206167-113
A.Akulich@oa-ev.de

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