Direkt zum Inhalt

Schub für die deutsch-ukrainische Energiepartnerschaft

Stefan Kägebein (links-oben), Regionaldirektor des Ost-Ausschusses für Osteuropa, moderierte die hochrangige Konferenz zur Energietransformation in der Ukraine.
06.09.2021
Green Deal ist gemeinsame Chance für die ukrainische und deutsche Wirtschaft / Gesprächsplattform für die wichtigsten Akteure aus Berlin, Kiew und Brüssel

Im Rahmen einer Online-Konferenz, die der Ost-Ausschuss zusammen mit dem ukrainischen Energieunternehmen DTEK organisierte, sprachen am 6. September Experten aus Politik und Wirtschaft über Konzepte zur Integration der Ukraine in den europäischen Green Deal und die Rolle der deutschen Wirtschaft. Eröffnet wurde die Konferenz, die Stefan Kägebein von Seiten des Ost-Ausschusses moderierte, durch die zuständigen Staatssekretäre Volodymyr Bondarenko und Andreas Feicht. Aktuelle Anlässe für die Konferenz waren der Jahrestag der 2020 abgeschlossenen Deutsch-Ukrainischen Energiepartnerschaft sowie die kürzlich veröffentlichte Gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, mit der Washington den Weg zur Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 frei machte.

Grüner Fonds für die Ukraine

Die deutsch-amerikanische Vereinbarung sieht unter anderem den Aufbau eines Grünen Fonds für Projekte zur Energietransformation in der Ukraine vor. Staatssekretär Feicht kündigte an, Mitte September nach Kiew zu fahren, um dort die Modalitäten dieses Fonds, in den die Bundesregierung im ersten Schritt 150 Millionen Euro investieren wird, abzustimmen. Zudem könne die Ukraine von Fördermaßnahmen im Rahmen der deutschen Wasserstoffstrategie profitieren. Zwei Milliarden Euro seien hier für grenzüberschreitende Projekte vorgesehen. In Kürze wolle man dazu die entsprechende Vergaberichtlinie veröffentlichen. Feicht betonte, dass Deutschland in Zukunft Wasserstoff in großen Mengen aus dem Ausland importieren müsse. „Die Ukraine ist hier ein Schlüsselpartner“, sagte Feicht. Zu klären sei unter anderem, inwieweit für Wasserstoff das bestehende Erdgaspipeline-System genutzt werden könne.

Stanislav Tillich, seit knapp einem Jahr Sonderbeauftragter der Bundesregierung zur Unterstützung des Strukturwandels in den ukrainischen Kohleregionen, erläuterte die bisherigen Ergebnisse seiner Arbeit. So seien zwei Kohleminen in der Nähe von Lemberg im Westen und in der Nähe von Donezk in der Ost-Ukraine als Pilotvorhaben ausgewählt worden. Ziel sei es, die Minen sozialverträglich zu schließen und zu Modellprojekten für eine gelungene Transformation zu machen. „Wir zeigen da, wie Transformation ablaufen kann, wir wollen Standards setzen. Die ganze Gesellschaft sollte an dem Prozess beteiligt sein und mitgenommen werden.“ Tillich, der als früherer sächsischer Ministerpräsident in der deutschen Kommission für den Kohleausstieg saß, verfügt über einen eigenen Etat von 35 Millionen Euro für Transformationsvorhaben in der Ukraine. Jobalternativen will Tillich nicht nur durch Erneuerbare-Energien-Projekte schaffen, sondern dabei auch die ukrainische Land- und Ernährungswirtschaft stärker in den Blick nehmen.

EU verstärkt ihr Engagement

Auch die Europäische Union kündigte ein verstärktes finanzielles Engagement in der Ukraine an. Katarina Mathernova, Stellvertretende Generaldirektorin der EU für Nachbarschaft und Erweiterung sowie Leiterin der Ukraine Support Group sieht gute Chancen, dass die Ukraine aus einem neuen EU-Fonds für Nachhaltige Entwicklung profitieren könne, der in der neuen Haushaltsperiode aufgestellt werden. Weitere 100 Millionen Euro stelle die EU über einen Energieeffizienzfonds für die Renovierung von Gebäuden zur Verfügung. „Es gibt Berechnungen, nach denen die Ukraine bereits auf sämtlichen Gasimporte verzichten könnte, wenn ihre Gebäude im Schnitt wenigstens die Energieeffizienz des schlechtesten EU-Mitgliedslandes erreichen würden“, rechnete Mathernova vor. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD und insbesondere die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW nannte die EU-Vertreterin als bevorzugte Partner für die Finanzierung von Energie-Projekten.

Dies bestätigte auch Maxim Timtschenko, CEO von DTEK. Der ukrainische Energiekonzern steht als größter ukrainischer Produzent von Kohlestrom vor einem riesigen Strukturwandel. Man habe dies aber bereits vor Jahren erkannt und sei inzwischen auch zum größten Produzenten von Erneuerbarer Energie des Landes aufgestiegen, betonte Timtschenko, der trotz aller Belastungen den Green Deal als große Chance für sein Unternehmen und die Zusammenarbeit mit deutschen Partnern ausgemacht hat. Zu diesen gehört Siemens Energy, bei der Konferenz vertreten durch Ariel Porat, Senior Vice President Hub Europe. Porat erinnerte in seinem Statement nochmals daran, dass der Handlungsdruck groß sei. „Mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen: Das ist kein ‚nice-to-have‘, das ist ein ‚must‘. Wir müssen das umsetzen und zwar jetzt, da gibt es keine andere Wahl und wir machen das zusammen.“

Bis 2030 sollen Erneuerbare 30 Prozent zur Stromerzeugung beitragen

Einen Überblick zur Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Sektors und die Rahmenbedingungen gab Oleksandra Gumeniuk von der European-Ukrainian Energy Agency. Bislang seien umgerechnet rund zehn Milliarden Euro in die Erzeugung Erneuerbarer Energie in der Ukraine investiert worden, deren Anteil an der ukrainischen Stromerzeugung von derzeit knapp 16 Prozent bis 2030 auf 25 Prozent steigen soll. Heute dominiert die Solarenergie mit einem Anteil von fast 80 Prozent an den gesamten Erneuerbaren. Ein Problem seien die instabilen regulatorische Rahmenbedingungen. Neue Anreizsysteme seien aber in Vorbereitung. Heiner Röger, Chef des Windkraftentwicklers NOTUS energy GmbH, der in der Ukraine Projekte mit einer Kapazität von 300 Megawatt entwickelt, bezeichnete die Finanzierung als das größte Hindernis und forderte mehr öffentliche Unterstützung für neue Projekte.

In der abschließenden Diskussionsrunde ging es vor allem um das Potenzial bei Wasserstoff, Energiespeicherung und Netzmodernisierung. Janez Kopac, Direktor der European Energy Community lobte den Reformeifer der Ukraine, kritisierte aber, dass Deregulierung und Liberalisierung des ukrainischen Energiemarkts als notwendige Voraussetzung noch hinterherhinkten. So zahlten die Haushalte die niedrigsten Energiepreise in Europa. Die Rechnung dafür müssten Investoren in Erneuerbare Energien, die ihr Geld nicht bekämen, und die Netzbetreiber bezahlen. Hindernisse für die Marktintegration mit Europa seien auch die unterschiedliche CO2-Bepreisung und Fragen der Nuklearsicherheit. Auch die EU müsse aber ihre Hausaufgaben machen und etwa Ursprungszertifikate für Erneuerbare Energie aus der Ukraine anerkennen.

Erneuerbare als "Game Changer"

Philipp Leckebusch, CTO des ukrainischen Energiekonzerns DTEK, richtete das Augenmerk auf die Chancen des Landes, etwa die Land- und natürlichen Ressourcen, die Gasreserven und die Nähe zum EU-Markt. „Die Ukraine kann eine große Rolle bei der europäischen Energietransformation spielen und von europäischen Erfahrungen profitieren“, sagte Leckebusch. Thomas Hüwener vom Ferngasnetzbetreiber Open Grid Europe GmbH wies auf das Potenzial des ukrainischen Pipelinenetzes für den Wasserstofftransport hin. Prof Rainer Lindner vom Stahlhändler Heine+Beisswenger bezeichnete die Erneuerbaren Energien abschließend als „Game changer“ für die Ukraine, die damit vom Energietransit- zum Produktionsland werden könne.

Andreas Metz, Christian Himmighoffen
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

 

Ansprechpartner

Stefan Kägebein
Regionaldirektor Osteuropa
Tel.: 030 206167-113
S.Kaegebein@oa-ev.de

Diese Seite teilen: